Viele haben vor Donald Trumps Zollpolitik gewarnt, nun bekommen sie die Ersten zu spüren. US-Häfen, Reedereien, Logistiker: Sie alle berichten von rückläufigen Bestellungen. Seit der Eskalation des Handelskriegs mit China Anfang April legen 60 Prozent weniger Containerschiffe in Richtung USA ab. Im Hafen von Los Angeles, einer der Hauptanlaufstellen für chinesische Waren, wird schon ab dieser Woche mit deutlich weniger planmäßigen Ankünften von Frachtschiffen gerechnet als im Vorjahr.

Im kalifornischen Oakland liegen kaum Schiffe. Das Bild wurde am 28. April aufgenommen.
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Noch hält sich der Schaden in Grenzen – auch weil viele US-Firmen ihre Lagerbestände aufgefüllt haben. Doch mit jeder Woche der Unsicherheit schlägt der Zollkonflikt auf tieferliegende Wirtschaftsbereiche durch. Ab Mitte Mai drohen leere Regale, erste Entlassungswellen, ab Sommer eine Rezession, so die alarmierenden Prognosen von US-Händlern und Ökonomen. Doch es kommt noch dicker: Selbst ein Deal mit China wird die Probleme nicht in Luft auflösen. Aber von vorn.

Container am Hafen von Los Angeles am 13. April 2025.

Bis vor wenigen Wochen stapelten sich die Container in den US-Häfen noch, weil viele Firmen ihre Lagerbestände aufgestockt haben. Mit der Eskalation im Handelskrieg mit China Anfang April hat sich der Wind gedreht. Der Hafen Los Angeles (im Bild) berichtet von einem Drittel weniger an planmäßigen Ankünften.
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Dass es mit Trump für Außenhändler nicht leicht wird, war kein Geheimnis. Seit Monaten schon transportieren Schiffe und Flugzeuge auf Hochtouren, die Lagerbestände vieler US-Firmen und -Logistiker sind bis unter die Decke voll. Jeder wollte noch sein Sortiment absichern, bevor die Zölle greifen. Spätestens seit dem „liberation day“ am 2. April, als Trump praktisch die ganze Welt mit Sonderzöllen belegte, dreht der Wind in eine andere Richtung. Die 90-tägige Zollpause ist ein schwacher Trost, gilt doch ein Mindestzollsatz von zehn Prozent. Die Zollmauer gegenüber China hat Trump gar auf beispiellose 145 Prozent hochgezogen.



„Trump Is a Virus“

Spätestens damit hat sich der Handel begonnen einzutrüben. „Praktisch alle Lieferungen aus China für große Einzelhändler und Hersteller wurden eingestellt“, berichtet Gene Seroka, Chef des Hafens von Los Angeles. Viele haben Bestellungen pausiert, könnten diese bald gänzlich stornieren, wenn keine Einigung im Handelskrieg glückt. „Wir sind gelähmt“, erzählt ein Spielwarengroßhändler der Agentur Bloomberg, der Amazon und Walmart beliefert. Noch sei der Schaden überschaubar, sagt ein anderer Unternehmer, „aber jede Woche wird er größer werden“.

Video: Eine Umfrage von Mitte April zeigt unterschiedliche Meinungen bei US-Verbrauchern
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Schließlich werden im März und April traditionell die Lagerbestände für die zweite Jahreshälfte aufgefüllt. Der Schulstart und Weihnachten sind ein brummendes Geschäft. Nun sind die Lager ohnehin voll, neue Bestellungen – vor allem Spielwaren kommen vielfach aus China – sind teuer. Probleme gibt es aber über alle Branchen hinweg. Die Washington Post etwa zitiert einen Elektro-Lkw-Hersteller, der in China produziert und in den USA endmontiert. Dieser habe sämtliche Lieferungen für Wochen pausiert, warte nun ab, „bis der Zollwahnsinn vorbei ist“.



US-Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman sieht sich angesichts der Lieferkettenverwerfungen an Pandemiezeiten erinnert. Nur sei diesmal „nicht ein Virus dafür verantwortlich, sondern Donald Trump“, schreibt er auf der Plattform Substack unter dem Titel „Trump Is a Virus“. Blöd nur, dass es dagegen keine Impfung gibt.



Leere Regale, Kündigungen, Rezession

Die Lagerbestände vieler US-Händler reichen für sechs bis acht Wochen. Danach gibt es ein Problem. Die Chefs von Walmart, Target, Home Depot und Amazon sind deshalb schon im Weißen Haus vorstellig geworden. Torsten Slok, Ökonom von Apollo Global Management, rechnet mit spürbaren Auswirkungen für Einzelhändler und Verbraucher schon ab Mitte Mai; inklusive leerer Regale, Kündigungswellen und einer Rezession ab Sommer. Auch für Hafenarbeiter und Logistikangestellte dürfte es unangenehm werden. Mit Massenkündigungen sei zwar nicht zu rechnen, betonte Hafendirektor Seroka in der Los Angeles Times, wahrscheinlich müssten einige Arbeiter aber ihre Stunden reduzieren.



Ob es zu einer baldigen Einigung kommt, ist jedenfalls fraglich. Die Trump-Administration betont zwar Verhandlungsfortschritte, von chinesischer Seite werden jegliche Gerüchte dazu aber abgeschmettert. Und selbst wenn ein Deal gelingt: Die Situation wird kaum entspannter werden. Ein rapider Anstieg der Frachtvolumina könnte US-Häfen überlasten und so erst recht für Verzögerungen und höhere Preise sorgen. Schließlich schwingt stets die Unsicherheit mit, die Zollmauer könnte wieder hochgezogen werden. „Häfen sind für stabile Verkehrsströme ausgelegt, nicht für ständige Volumenschwankungen“, bemerkt Lars Jensen, Chef der Seefrachtberatung Vespucci Maritime. Oder anders ausgedrückt: Trump hat den Außenhandel in eine wahrlich missliche Lage gebracht. (Nicolas Dworak, 30.4.2025)