Schaden in Höhe von 1000 Milliarden US-Dollar kann durch Trumps Zollpolitik entstehen, da verunsicherte Unternehmen weniger handeln.
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Donald Trump geht mit einer Kettensäge auf das internationale Handelssystem los, und nun lässt sich erstmals abschätzen, welchen Schaden er anrichtet: 1000 Milliarden US-Dollar an Wirtschaftswachstum sollen der Welt durch die Trump-Zölle entgehen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat diese Zahl – sie entspricht der Wirtschaftsleistung von Österreich und Dänemark zusammengenommen – diese Woche bei seinem Frühjahrstreffen in Washington, D.C., präsentiert, zu dem Finanzminister und Notenbankgouverneure aus 191 Ländern angereist sind.



Die Meetings von IWF und Weltbank widmen sich meist allem, was die internationale Finanz- und Wirtschaftswelt bewegt: von Bankenstabilität über Inflation bis hin zu Arbeitsmärkten. Diesmal war das anders. Trump und seine Zölle waren das einzige dominierende Thema an der 1900 Pennsylvania Avenue, keine 500 Meter vom Weißen Haus entfernt. Die Stimmung war düster, was IWF-Chefin Kristalina Georgieva, eine 71-jährige bulgarische Ökonomin, bei einem Panel so einbekannte: „Viele Regierungen haben Angst, dass wir das auf Regeln basierte Handelssystem verlieren.“



Wer Ökonomen und Minister diese Woche in Washington zuhörte, erlebte eine Wirtschaftswelt, die sich durch Trump und seine disruptive Politik bereits wandelt. Wie nachhaltig diese Veränderungen sein werden, lässt sich noch nicht sagen: Trump ändert seine Zollpolitik derzeit fast täglich. Sah es letzte Woche noch nach dem großen und andauernden Clash aus, ließ die US-Administration diese Woche mit der Ankündigung aufhorchen, dass man mit China eine Entspannung anstrebe. Ob das klappt? Alles ist im Fluss.



Reindustrialisierung? Klappt nicht

Aber ein paar Beobachtungen dazu, was sich abzeichnet, lassen sich anstellen.



Zunehmend offensichtlich wird, wie Trump und seine Zollpolitik uns ärmer machen. Der 1000-Milliarden-Dollar-Schaden wird entstehen, weil Unternehmen wegen der Zölle weniger handeln und investieren werden, aber auch deshalb, weil Haushalte weniger konsumieren dürften. Der Einbruch wird wohl nirgendwo so stark sein wie in den Vereinigten Staaten (wobei Europa wegen anderer Probleme insgesamt dennoch schwächer wachsen wird). Zum Zollcrash kommt ein Schaden durch Unsicherheit hinzu.



Trumps Zollpolitik wird auch genau nicht zu jener Reindustrialisierung führen, die er sich erhofft. Ein Grund dafür ist, dass die Importzölle die US-Industrie weiter unter Druck bringen dürften. Rund 40 Prozent der chinesischen Importe, die nun mit exorbitanten Tarifen belegt sind, werden in die USA eingeführt und von US-Firmen weiterverarbeitet. Der Zoll wird US-Produktionen also im In- und Ausland verteuern. Weniger Wettbewerbsfähigkeit ist die Folge. Der IWF erwartet, dass die US-Ausfuhren als Folge der Politik des Weißen Hauses um mehr als ein Fünftel einbrechen könnten. Wie stark, wird letztlich davon abhängen, wie sich der Dollar entwickelt: Sollte er weiter an Wert verlieren, könnte das zumindest einen Teil der verlorenen Wettbewerbsfähigkeit kompensieren.

Wobei auch Europäer und Chinesen verlieren werden: Der Welthandel wird insgesamt nur mehr schleppend wachsen. Für China entstehen die Verluste an Wohlfahrt vor allem, weil sie den Zugang zum US-Markt verlieren und ihre Waren in anderen Ländern absetzen müssen, wo sie weniger verlangen können.



Wenn man sich nun fragt, wieso die USA trotz der ihnen selbst drohenden Verluste einen derartigen Handelskrieg vom Zaun brechen, gibt es zwei Antworten, die wohl beide richtig sind: Eine lautet, dass die US-Administration selbst nicht weiß, was sie tut. Trump hat aber Zölle versprochen und liefert nun erratisch. Die zweite ist: Die USA schlagen um sich, weil sie eine neue Weltordnung aufziehen sehen und sich vor dieser fürchten. Wer in die Ecke gedrängt ist, wird eher aggressiv.



„Werden nicht mehr überlegen sein“

„Wir werden nicht mehr der Hegemon sein, wir steuern auf eine multipolare Welt zu“, fasst Evan Medeiros, China-Experte an der Georgetown University, diese neue Weltordnung zusammen. Der zunehmend erfolgreiche Herausforderer ist dabei natürlich China.



China hat gewaltige Industriekapazitäten aufgebaut und ist in vielen der zukunftsträchtigen Technologien, bei Elektroautos, der Batterieproduktion, bei der Erzeugung von Solarzellen und Robotern führend. Die Volksrepublik exportiert immer mehr Ware und hat seinen Anteil am Weltmarkt stetig ausgebaut. Dort, wo China nicht führend ist, beim Flugzeugbau oder der Halbleitererzeugung, sind aber auch nicht die USA, sondern andere Staaten wie Deutschland (Airbus) und Taiwan tonangebend, sagt Brad Setser, Handelsexperte beim Council on Foreign Relations, einem Thinktank. China ist auf dem Weg, in wenigen Jahren 45 Prozent der weltweiten Industrieproduktion zu vereinen. Wobei bei dem Wohlstandsgewinn, der damit einhergeht, nicht gesagt ist, dass die Chinesen mehr US-Waren und Dienstleistungen erwerben, weil die Chinesen statt auf Amazon und Facebook lieber auf Alibaba und Tiktok setzen.



Trump, auch das ließ sich in Washington erkennen, versucht der westlichen Welt abseits der Handelspolitik seine Agenda aufzudrücken. Mit einigen Erfolgen: US-Finanzminister Scott Bessent richtete dem IWF bei einem kurzen Auftritt vor versammelten Bankern im Washingtoner Willard Hotel aus, er solle sich gefälligst künftig nicht mehr um Themen wie Klimaschutz oder Genderfragen kümmern. Klimaschutz und die Energiewende spielten auf der Frühjahrstagung tatsächlich fast keine Rolle. In den Wirtschaftsanalysen des IWF kam das nur noch als Randnotiz vor – Diplomaten erzählen, die Hinweise auf Klimapolitik seien in vorauseilendem Gehorsam gegenüber dem Weißen Haus gestrichen worden. Die USA haben als große Kapitalgeber von Weltbank und IWF noch viel Einfluss.



Die Kettensäge als Anhänger

Plötzlich ist auch der Wirtschaftsliberalismus auf der Agenda zurück, um den es jahrelang nach der Finanzkrise still geworden war. Wohl auch das ist im Sinne des US-Präsidenten. Bei einer Schlussdiskussion sitzen der deutsche Finanzminister Jörg Kukies (SPD), seine britische Amtskollegin Rachel Reeves und der argentinische Minister für Deregulierung, Frederico Sturzenegger, zusammen. Sturzenegger schwärmt davon, wie sein Präsident Javier Milei in Argentinien die Bürokratie mit der Kettensäge bearbeite. Als die Britin Reeves, eine Labour-Politikerin, an der Reihe ist, legt auch sie los: Die Bankenregulierung nach der Weltfinanzkrise sei zu weit gegangen, viele Auflagen „müssen weg“.



Auch Umweltschutzvorschriften seien zu streng, der Schutz von Schlangen und Fledermäusen könne nicht wichtiger sein als der Bau neuer Wohnungen und Kraftwerke sein. Der deutsche Finanzminister Kukies ergänzt, dass auch Europa in vielen Bereichen zu weit gegangen sei, weshalb Berichtspflichten für Unternehmen zur Nachhaltigkeit reduziert würden. Spontan wirkt das nicht. IWF-Chefin Georgieva bekommt zum Schluss vom Argentinier eine Kettensäge als Anhänger geschenkt. Sichtbar stolz legt sie diesen an. (András Szigetvari aus Washington, 26.4.2025)