Besuch bei der 1c in der Mittelschule Kematen: Rund 20 Schülerinnen und Schüler arbeiten fokussiert an ihren Tablets. Mit einer Anwendung für Grafikdesign gestalten sie Wortwolken zum Schlagwort „Digitale Grundbildung“. Dabei wiederholen sie, was sie bisher im laufenden Schuljahr zum Thema lernten. Die privaten Handys sind währenddessen ausgeschaltet und liegen in einem „Handy-Stadion“.
„Mir gefällt Digitale Grundbildung sehr gut, weil man hier neue Programme kennenlernt“, sagte eine elfjährige Schülerin der Klasse gegenüber dem ORF Tirol. „Ich mag es, weil man in seinem eigenen Tempo arbeiten kann und nicht auf andere warten muss oder sie nicht warten müssen, wenn man selber einmal länger braucht“, ergänzte eine andere Schülerin.
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Beim Lokalaugenschein zeigte sich schnell, dass das Fach sehr beliebt ist. Von Grafikdesign über die Gefahren von Selfies im Internet bis zum Programmieren von virtuellen Werkzeugen – Digitale Grundbildung umfasst viele Aspekte der heutigen Medienwelt. Nach dem Modell des „Frankfurt-Dreiecks“ verbindet es technische Funktionen, soziale Folgen und praktische Anwendungen.
Kinder in Lebenswelt abholen und begleiten
Dabei gehe es darum, Schülerinnen und Schüler in ihrer Lebenswelt abzuholen. Nichts verbieten, sondern Lösungen aufzeigen und Fähigkeiten vermitteln – das ist das Ziel im Unterricht von Florian Wanner. „Wir können in der gemeinsamen Arbeit mit den Kindern einen Weg vorgeben, der sie begleitet und zwar in einer Richtung, wo die Kinder mit diesen neuen Medien kritisch umgehen können“, sagte er.
Eigentlich ist Wanner ausgebildeter Lehrer für Deutsch sowie Geografie und Wirtschaftskunde. Mittlerweile unterrichtet er aber auch das Fach Digitale Grundbildung und ist Experte im Bereich Medienbildung. Als Beauftragter für E-Learning in Tirol koordiniert er den Unterrichtsgegenstand und kümmert sich um die Aus- und Fortbildung.
Derzeit nur eine Stunde pro Woche
Seit dem Schuljahr 2022/23 ist Digitale Grundbildung ein verpflichtender Unterrichtsgegenstand in Mittelschulen und der AHS-Unterstufe. Davor handelte es sich um eine verbindliche Übung, die aber auch integriert über alle Fächer berücksichtigt werden konnte.
Der Informatik-Lehrer Thomas Gatterer, der auch Mitglied in der Bundesarbeitsgemeinschaft Informatik ist, unterrichtet am Akademischen Gymnasium Innsbruck (AGI). Er beobachtete die Einführung des Faches über die vergangenen Jahre genau. Auch er befürwortet das Fach an sich. Allerdings gebe es teilweise noch Aufholbedarf. Mit einer Stunde pro Woche könne man die zahlreichen Herausforderungen kaum bewältigen.
Unterricht teils nur „fachfremd“
„Die Schüler bis Weihnachten kennenzulernen ist für mich kaum möglich“, meinte Gatterer. Wichtig sei deshalb die Mithilfe von anderen Lehrerinnen und Lehrern. Immerhin handelt es sich bei der Medienbildung laut österreichischem Lehrplan auch um ein Unterrichtsprinzip. Demnach soll die Medienbildung als Querschnittsmaterie auch in anderen Fächern berücksichtigt werden.
Darüber hinaus gab es zu Beginn der Digitalen Grundbildung an den Schulen nur wenige einschlägig ausgebildete Lehrkräfte. Die meisten mussten also „fachfremd“ unterrichten. Das räumte auch Florian Wanner von der Mittelschule Kematen ein. Mittlerweile konnte man in Tirol aber nachschärfen. So gibt es bereits einen Lehrgang an der Pädagogischen Hochschule und ein neu aufgestelltes Lehramtsstudium an der Universität Innsbruck.
Breites Netzwerk und digitales Lernmaterial
Wichtig sei jedenfalls, dass es das Fach gibt und dass die österreichische Bildungspolitik diese Richtung eingeschlagen habe, so Wanner. Gatterer wünscht sich, dass im Bildungsbereich häufiger freie Software zum Zuge kommt. Statt der klassischen Betriebssysteme von Big Tech Firmen wie Microsoft oder Apple sollte man auch unabhängige Software wie Linux fördern.
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Insgesamt sei Tirol aber sehr gut aufgestellt, bestätigten beide Lehrer. Das liege vor allem an einem breiten Austausch unterschiedlicher Stakeholder und einem umfassenden (Online-)Netzwerk.
Beispielsweise stelle man über das Tiroler Bildungsservice (tibs) viele Lernmaterialien oder Kurse niederschwellig zur Verfügung. So könne man Lehrpersonen im Fach Digitale Grundbildung und darüber hinaus unterstützen.
„Digitalisierung betrifft uns alle“
Das ist auch notwendig. Denn die Anforderungen und die Aufgaben für die Digitale Grundbildung ändern sich ständig. Insofern muss der Unterricht mit technologischen Innovationen mithalten. Für den Direktor der Mittelschule Kematen, Alexander Krickl, ist klar, dass die Digitalisierung alle betrifft. „Wir wollen möglichst gute Aufklärungsarbeit leisten, nicht nur bei den Schülerinnen und Schülern, sondern auch bei den Eltern“, erklärte er.
Nur in enger Zusammenarbeit mit allen Beteiligten könne man die Kinder dazu bringen, dass sie verantwortungsbewusst mit den digitalen Endgeräten umgehen. Das Interesse und die Neugier der Schülerinnen und Schüler am Lernen mit und über digitale Medien ist jedenfalls groß. „Datenschutz, Social Media oder Programmieren“, sagten sie auf die Frage, was sie gern noch mehr in dem Fach lernen würden.
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