Steirischer SPÖ-Landesparteiobmann: „Deswegen bin ich auch der Max“

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SPÖ-Rebell Max Lercher will sich in Zukunft voll auf die Steiermark konzentrieren.

KURIER: Herr Lercher, Sie sind derzeit als einziger Kandidat für den Landesparteivorsitz in der SPÖ Steiermark nominiert worden. Sie haben die Partei nach der Landtagswahl vorerst interimistisch übernommen. Wie schwer war dieses Vorhaben bisher angesichts der blau-schwarzen Landesregierung?

Max Lercher: Herausfordernd, weil es für alle in der steirischen SPÖ eine gänzlich neue Situation ist. Für mich persönlich weniger, weil ich schon auf Bundesebene erlebt habe, was es heißt, in der Opposition zu sein. Es ist ein Umbruch und für viele in der SPÖ Steiermark eine politisch völlig neue Lage. Darum stellen wir uns auch komplett neu auf.

Kurz zu Ihrer Person: Ihr parteipolitisches Leben in der SPÖ gleicht einer Hochschaubahn. Zuerst Shootingstar in der Steiermark, dann Bundesgeschäftsführer, dann der Krach rund um Christian Kern, zuletzt ihr Einsatz für Hans Peter Doskozil und die Wahl von Andreas Babler. Da glaubte man schon, die politische Karriere ist zu Ende. Und jetzt Landesparteiobmann. Wie steht man das alles durch und bleibt seiner Partei dennoch treu?

Die Treue zu meiner Bewegung habe ich in meinem Kopf nie auch nur ansatzweise infrage gestellt.

Aber die Bewegung ist ja auch die Organisation und nicht nur die Ideologie.

Das ist wie in einer Familie. Man hat einen Onkel, den mag man vielleicht nicht so gern wie die Tante und trotzdem ist er ein Teil der Familie. Die Art der Diskussion, die macht es aus. So ist es auch in einer großen politischen Bewegung. Ich habe mich als Person nie so wichtig genommen. Deswegen habe ich das, so glaube ich, durchgehalten. Mir geht es mehr um Inhalte, um das, was zu verändern ist. Mir geht es jetzt um die Steierinnen und Steirer.

Landesparteiobmann sind Sie ja deshalb geworden, weil das Projekt Blau-Rot unter Ihrem Vorgänger Anton Lang gescheitert ist. FPÖ-Landeshauptmann Mario Kunasek hat sich für die ÖVP als Koalitionspartner entschieden. Wären Sie damals auch bereit gewesen, in eine Regierung mit der FPÖ zu gehen?

Grundsätzlich hat es von mir keinen Widerstand dagegen gegeben. Ich habe damals im Parteivorstand auch dafür gestimmt, dass Anton Lang die Gespräche mit Mario Kunasek führt. Die steirische Sozialdemokratie war bereit – natürlich unter bestimmten inhaltlichen Vorgaben – mit der FPÖ eine Koalition zu bilden. Die FPÖ hat sich dann für die ÖVP entschieden. Ob der von Mario Kunasek versprochene neue Stil mit der ÖVP in der Steiermark möglich sein wird, das werden wir erst sehen.

Bis jetzt haben Sie das noch nicht gesehen?

Nein, habe ich nicht.

Wie beurteilen Sie überhaupt die Arbeit der blau-schwarzen Landesregierung in Graz? In der ÖVP mussten ja mit Christopher Drexler und Werner Amon zwei starke Player in den Hintergrund treten.

Mario Kunasek hat ja eine komplett andere ÖVP vorgefunden als jene, mit der er verhandelt hat. In der ÖVP gibt es jetzt interne Matches, die noch nicht beendet sind. Ich möchte die Landesregierung an ihren Taten messen. Das war bisher sehr wenig. Die haben eine Regierungsklausur gemacht und dann sechs Forderungen an den Bund gestellt. Die Steiermark war immer dann stark, wenn wir im Land gewirkt haben. Das würde ich mir viel stärker erwarten.

Sie haben unter dem Begriff „systemwandel.at“ eine Bewegung ins Leben gerufen, die will, dass man sich mit Leistung wieder etwas leisten kann. Was ist die Intention?

Der Fokus muss wieder auf die wahren Leistungsträgerinnen und Leistungsträger, nämlich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, gelegt werden. Leistung, Wohlstand, Sicherheit, bei diesen Themen bringt nur die Sozialdemokratie etwas zustande. Das wollen wir in der Steiermark jetzt angehen.

Wobei nicht alle in der Sozialdemokratie das Wort Leistung so stark betonen wie Sie?

Mag sein, aber deswegen bin ich auch der Max und nicht irgendjemand anderer. Es ist wichtig, das Wort Leistung zu betonen, denn die Steierinnen und Steirer sind fleißige Leute. Der Großteil der Abgaben wird vom sogenannten Mittelstand geleistet. Dementsprechend müssen die öffentlichen Systeme für sie funktionieren. Die Leistung dieser Systeme in den Bereichen Gesundheit, Energie und Sicherheit passt aber immer weniger. Dort möchte ich einhaken. Das meine ich mit Systemwandel. Systeme wieder so neu zu ordnen, dass sie für jene, die die Abgaben bezahlen, auch dementsprechend funktionieren. Dass ich mir mit meiner Leistung Wohlstand aufbauen kann.

Derzeit haben wir aber ein Sparprogramm und einen Wirtschaftsabschwung. Deswegen gibt aus der Wirtschaft schon Stimmen, dass es eine Nulllohnrunde geben soll. Wie sehen Sie die Debatte?

Diese Stimmen aus der Wirtschaft hätte ich mir bei der Vorgängerregierung auf Bundesebene gewünscht. Stimmen, die gesagt hätten, man muss frühzeitig ins System eingreifen, damit die Inflation nicht so steigt. Jetzt zum Schluss nach all diesen Ausgaben zu sagen, wir brauchen eine Zurückhaltung bei den Löhnen, halte ich für den falschen Weg, weil wir die Kaufkraft bei den Leuten brauchen, um die Konjunktur nicht weiter abzuwürgen.

Zum ausführlichen Interview mit Max Lercher

Die Kaufkraft ist aber auch deswegen gebremst, weil die wirtschaftliche Stimmung schlecht ist. Wie kann man diese wieder heben?

Es ist jetzt die Aufgabe der Politik, eine positive Stimmung zu bewirken und zu vermitteln, dass wir als Staat, als soziale Marktwirtschaft, die wir Gott sei Dank noch haben, bereit sind, in schwierigen Zeiten Sicherheit zu bieten.

Das klingt nach Zuversicht trotz der Turbulenzen, die von Washington nach Europa schwappen.

Ja, denn wenn wir den ganzen Tag über Donald Trump diskutieren, dann werden wir höchstwahrscheinlich depressiv. Das ist alles nicht ganz rational, das haben alle bis dato begriffen. Umso wichtiger ist es jetzt, dass Europa begreift, dass wir als starker Wirtschaftsstandort unsere eigenen Hausaufgaben zu machen haben. Dass wir uns auf andere verlassen, diese Zeit ist vorbei.

Abseits der Wirtschaft hat Europa mit der Migration das größte Problem. Genauso wie der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil sind Sie in der SPÖ für eine striktere Linie als wie das oft in Wien gesehen wird.

Wenn ich das Regierungsprogramm lese, dann ist das schon sehr strikt. Da fühle ich mich bestätigt in dem, was ich immer gesagt habe. Es geht mir nicht darum, gegen irgendwelche Gruppen zu hetzen. Aber der Staat muss in der Zuwanderung und Migration klare und strikte Regeln definieren und diese der Bevölkerung vermitteln.

Sie haben den Bund angesprochen. Seit der roten Regierungsbeteiligung gibt es aus den Bundesländern – etwa aus dem Burgenland – keine Sticheleien in Richtung SPÖ-Zentrale in der Löwelstraße. Warum ist das so?

Vieles, was als Stichelei interpretiert wird, ist oftmals nicht wirklich eine. Natürlich gibt es bei uns öffentliche Diskussionen, nicht nur in Eisenstadt. Fakt ist, dass wir jetzt wieder auf einer Ebene sind, auf der wir Themen ausdiskutieren. Das ist gut so. Ich habe in der Steiermark andere Notwendigkeiten als etwa die Bundeshauptstadt. Deswegen haben wir auch Landesparteien und dem müssen wir gerecht werden.

Pragmatisch gesehen: Müsste nicht die Bundeszentrale der SPÖ versuchen, jemanden wie Hans Peter Doskozil wieder ins Zentrum der Partei zu holen?

Zur Bundesebene habe ich alles gesagt. Ich war selbst Bundesgeschäftsführer und habe gewusst, was zu tun ist. Ich hätte mir auch nichts von einem Landesparteivorsitzenden ausrichten lassen.

Aber ist Landeshauptmann Hans Peter Doskozil grundsätzlich noch immer ein wichtiger Player für die Sozialdemokratie?

Ja natürlich. Er hat die Landtagswahl wieder fulminant gewonnen. Wir haben mit Hans Peter Doskozil, Peter Kaiser und Michael Ludwig drei Landeshauptleute, die für die SPÖ wichtige Stützen sind.

Zur Person
Der 38-jährige Steirer Max Lercher hat in der SPÖ schon alle Höhen und Tiefen durchgemacht. Als Vorzugsstimmenkaiser war er 2010 in den  Landtag eingezogen. 2017 wechselte er  als Bundesgeschäftsführer in die Parteizentrale in Wien. Nach dem Abschied von Ex-Kanzler Christian Kern musste er wieder gehen. Blieb aber Abgeordneter im Nationalrat. Beim Kampf um den Parteivorsitz stand er auf der Seite von Hans Peter Doskozil, der Andreas Babler unterlegen war. Nach der Landtagswahl 2024 folgte er Anton Lang als Landesparteivorsitzender der SPÖ.

Nicht alle in der SPÖ waren darüber glücklich, dass es zu einer türkis-rot-pinken Dreierkoalition im Bund gekommen ist. Wie sehen Sie die Regierungskonstellation?

Es hat eine Phase gegeben, da hätte ich diese Koalition nicht mehr für möglich gehalten. Dass sie dennoch gekommen ist, hat einen Grund, nämlich FPÖ-Chef Herbert Kickl. Der ist davongelaufen. Ich hätte mir – das sage ich ganz offen – auch andere Konstellationen vorstellen können. Etwa eine Expertenregierung, die von einer Parlamentsmehrheit gestützt wird. Jetzt gibt es aber diese Koalition und nun muss man Lösungen für die Probleme der Bürgerinnen und Bürger umsetzen. Nur darum geht es.

Einmal noch zur Steiermark: Was ist Ihr großes Ziel als Landesparteivorsitzender? Das Amt des Landeshauptmannes?

Mein großes Ziel ist es, die Lebensrealität der Steirerinnen und Steirer zu verbessern. Ein Ämterdenken hatte ich nie, denn es geht nicht um mich und das, was ich will. Die Steierinnen und Steirer müssen wollen, dass ich Landeshauptmann werde. Mein politischer Anspruch ist es, dass die Mehrheit von FPÖ und ÖVP im Land unter 50 Prozent rutscht und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wieder mehrheitlich SPÖ wählen. Dem möchte ich mich stellen.

Könnte es auch sein, dass Sie wieder auf dem politischen Parkett in Wien aufschlagen? Oder haben Sie von Wien genug?

Keine Sorge. Ich bin gerne in dieser Stadt, aber ich kann viele beruhigen: Ich habe die Bundesebene in Frieden hinter mir gelassen.

Original Quelle + Original Bild:

Kurier

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