Nur ein Drittel der Betriebe hat Künstliche Intelligenz bereits im Einsatz. Am ehesten geschieht es in Form eines Chatbots im Kundenservice
Besonders seit der Corona-Pandemie sind die Berge zum Sehnsuchtsort geworden, um dem hektischen Alltag zu entfliehen. Idealerweise dient das Handy nur zum Fotografieren, und ansonsten lässt man die digitale Welt hinter sich. Doch selbst zwischen Almen und Bergbacherln mischt die Künstliche Intelligenz (KI) mittlerweile mit.
Das Innsbrucker Unternehmen GMD startet gemeinsam mit dem Deutschen Alpenverein im Sommer ein Pilotprojekt zur Überwachung hochalpiner Wasserressourcen in Osttirol. Ziel sei es, die Wasserverfügbarkeit mithilfe von KI besser zu erfassen und mit der Lenkung von Besucherströmen zu verknüpfen. Im Zentrum steht die Neue Prager Hütte unterhalb des Großvenedigers auf 2796 Metern – sie ist immer wieder von Wasserknappheit betroffen und musste deswegen die Saison bereits mehrmals früher als geplant beenden. Das System könnte es künftig erlauben, die Auslastung der Hütte an die tatsächliche Wassersituation vor Ort anzupassen.
Skeptisches Österreich
Das Beispiel der Neuen Prager Hütte zeigt, wie vielseitig KI mittlerweile einsetzbar ist. Auf die gesamte Wirtschaftslandschaft umgemünzt, sieht es hierzulande allerdings noch anders aus. Vielerorts dominieren Zurückhaltung und Skepsis. Nur ein Drittel der heimischen Unternehmen setzt bereits auf KI, und ein Großteil davon hat die Technologie erst in den vergangenen zwei Jahren eingeführt. Der Rest wartet ab oder arbeitet an ersten Schritten – klar definierte Ziele bzw. einen Plan haben aber nur wenige. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des Unternehmensberaters EY unter 100 Führungskräften von großen und mittleren Unternehmen in Österreich hervor.
„In den kommenden Jahren wird KI viele, wenn nicht alle Unternehmensbereiche transformieren. Wir müssen in Österreich am Ball bleiben, um nicht an Wettbewerbsfähigkeit einzubüßen“, sagt Susanne Zach, KI-Expertin bei EY. Zwar werde KI in vielen Unternehmen eingesetzt, doch es gebe viel Luft nach oben. Wie berichtet, hat Europa vor allem in der Industrie noch Chancen, eine globale Führungsrolle zu übernehmen. Die Unternehmen sitzen auf einem Datenschatz, der noch viel zu wenig genutzt wird.
Chatbots und Vertrieb
Möglichkeiten gibt es also noch viele, aber wo laufen die Algorithmen bereits jetzt? Laut EY ist das größte Anwendungsgebiet der Kundenservice, vor allem in Form von Chatbots. Dahinter folgt der Vertrieb mit dem häufigsten Use-Case des Datenmanagements und dann die IT, die vor allem Cybersecurity-Maßnahmen mithilfe von KI verbessert. In der Produktion sei KI noch wenig verbreitet, heißt es bei EY – wenn, dann um Wartungsarbeiten vorherzusagen.
Grosso modo seien Anwendungsfälle eher simpel gehalten, weniger als ein Fünftel der befragten Unternehmen habe auch komplexe Projekte mithilfe von KI umgesetzt. „Viele Betriebe sind dem KI-Hype gefolgt und haben kurzfristig Anwendungen auf den Weg gebracht. Jetzt ist es an der Zeit, auch an der strategischen Ausrichtung dieser Projekte zu arbeiten. Ohne das Big Picture im Blick zu haben, lässt sich das volle Potenzial von KI kaum nutzen“, meint Zach.
So viel zur offiziellen Unternehmensseite – denn in den Belegschaften hat sich die KI sehr wohl schon breitgemacht. Dem Hopes & Fears Survey 2024 vom Unternehmensberater PWC zufolge haben in Österreich 52 Prozent von 1000 befragten Arbeitnehmern generative KI im vergangenen Jahr bereits im Job genutzt. Bei der Gen Z sind es hierzulande 67 Prozent, sechs Prozent davon täglich.
Bürokratische Hürden
Dass europäische Unternehmen neue Technologien schnell umsetzen, kann ihnen nicht wirklich nachgesagt werden. Internet, Smartphone und Cloud wurden verschlafen. Der Fairness halber muss aber erwähnt sein, dass auch die Regulatoren ihren Teil dazu beitragen. Es gibt den AI Act, den Data Act, das Lieferkettengesetz, den Cyber Resilience Act. Hört man sich bei Unternehmen um, egal ob groß, ob klein, technologieaffin oder nicht, eine Aussage eint sie: Die Menge an Regulierungen der vergangenen Jahre sei zu viel. Man solle zuerst Innovationen ermöglichen und dann an riskanten Stellen nachschärfen.
Einer, der das Problem aus dem Alltag kennt, ist Timm Rotter – Chef und Gründer der KI-Beratungsagentur Disruptive in München. „Der AI Act ist ein gutes Beispiel, wie man oft am Handeln behindert wird. Die EU kündigt eine Regulierung an, lässt aber gleichzeitig offen, wie diese aussehen wird. Will ich mit einem Kunden ein KI-Produkt aufbauen, kann ich ausrechnen, wie viel das kostet – weiß aber nicht, ob es dann den gesetzlichen Anforderungen standhält“, sagt Rotter. Regulierung sei wichtig, aber Planbarkeit für Unternehmen genauso.
Der AI Act
Was ist der AI Act? Verkürzt gesagt, stellt er seit Februar ein Regelwerk für KI dar. So muss unter anderem klar gekennzeichnet werden, wenn Texte, Bilder und Töne mit KI entwickelt wurden. Weiters soll die Qualität der verwendeten Daten gewährleistet und sichergestellt werden, dass bei der KI-Entwicklung keine Urheberrechte verletzt werden. Verschärfte Vorgaben soll es für „risikoreiche“ Anwendungen geben, etwa bei kritischer Infrastruktur, Sicherheitsbehörden und Personalverwaltung.
Unternehmen wie Disruptive dürften in den kommenden Jahren nicht ums Geschäft fürchten müssen. Zwar haben laut EY mehr als drei Viertel der österreichischen Unternehmen schon vom AI Act gehört, allerdings hat sich nicht einmal ein Viertel damit beschäftigt. Aber zumindest auf dem Großvenediger weiß man schon Bescheid. (Andreas Danzer, 24.4.2025)
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