Im Landtag werden am Mittwoch fünf Landesgesetze geändert. Die De-facto-Koalition aus ÖVP und FPÖ will einen Teil ihres „Aktionsplans“ beschließen. Die Kompetenzen eines Bundeslandes sind aber begrenzt, so wird beispielsweise im Teil über Maßnahmen in Pflichtschulen viel mit „soll“ formuliert, und es ist die Rede von „Formulierungsempfehlungen“ und „Aufforderung an den Bund“.
Für den Soziologen und Integrationsexperten Kenan Güngör werden im „Aktionsplan“ verschiedene Themen miteinander vermischt. So werde mit den Gesetzesänderungen suggeriert, dass diese Probleme nur Muslime betreffen, sagt er. Das führe zu mehr gesellschaftlicher Trennung. „Da verlieren wir die längst integrierten Muslime, weil man so undifferenziert vorgeht.“
Lisa Fellhofer, Direktorin der Dokumentationsstelle Politischer Islam, betont, dass man sicher auch auf regionaler und lokaler Ebene, etwa in Schulen oder Moscheevereinen, etwas gegen politischen Islam tun müsse, vieles spiele sich aber im Online-Bereich ab. Sie betont, dass man nie eine ganze Religion diffamieren dürfe.
Änderungen im Kindergarten
Die größten Änderungen am Mittwoch betreffen Kindergärten. Im Landtag wird die Möglichkeit beschlossen, Hausordnungen zu erlassen. Ob ein Kindergarten eine solche einführt und was in den Hausordnungen stehen wird, ist aber wiederum eine individuelle Entscheidung jedes Standorts.
Für die Eltern wird die Mitwirkungspflicht ausgeweitet. Diese beinhaltet auch ein verpflichtendes Elterngespräch, wenn der Kindergarten dazu einlädt. Beschlossen wird auch die mögliche Strafe, wenn man einem Gespräch als Eltern nicht nachkommt: 2.500 Euro. Es handelt sich um eine Verwaltungsübertretung. Gelten sollen die Änderungen ab dem neuen Kindergartenjahr mit 1. September.
„Phänomen einer sozialen Schicht“
Für den Soziologen Güngör vom Forschungsbüro think.difference stellt sich hier die Frage, wie groß das Problem der Respektlosigkeit gegenüber Pädagoginnen und Pädagogen wirklich ist. „Wir haben Kindergärten dazu befragt und die sagen, es ist kein Religionsthema, sondern ein Phänomen einer sozialen Schicht. Da geht es um prekäre Familienverhältnisse, bildungsferne Schichten und Verrohung, aber nicht um Islamismus.“
Dass etwas gegen den politischen Islam getan wird, findet Soziologe Güngör „wichtig und richtig, denn die Jugendmilieus in Wr. Neustadt und St. Pölten sind teils sehr stark islamistisch.“ Das Bild der Kindergartenpädagogin, der nicht die Hand gegeben werde, sei aber ein künstlich hochgekochtes und werde überschätzt.
Lisa Fellhofer, Direktorin der Dokumentationsstelle Politischer Islam, einem Fonds der Republik, sagt, dass es keine Studien oder Erhebungen zur Respektlosigkeit im Kindergarten gebe. Es würden anekdotische Erzählungen vorliegen.
Verschleierungsverbot ohne Anlassfall
Bei den Nebenbeschäftigungen im Landesdienst wird präzisiert, dass diese in „radikal (islamistischen) Vereinen“ untersagt werden. Das Verschleierungsverbot im Landesdienst wird im Landes-Bedienstetengesetz, im Landes-Vertragsbedienstetengesetz und im Spitalsärztegesetz festgeschrieben. Damit soll es auch als Kündigungsgrund gelten.
Es gibt aber bislang keine Person im Landesdienst, die eine Burka oder eine andere Art von Gesichtsverschleierung trägt. „Es wird hier ein Gesetz geändert, wo es keinen einzigen Fall gibt. Da frage ich mich, wird hier wirklich an einem gesellschaftlichen Problem gearbeitet, oder ist das nur Symbolpolitik“, so Güngör.
Auch die Landesverfassung wird erweitert. ÖVP und FPÖ verfügen über die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit. Betroffen ist der Artikel 4. Zu den Punkten „Kultur, Wissenschaft, Bildung“ sollen „Werte und Traditionen“ dazukommen. Ergänzt werden sollen auch die Grundwerte „Humanität, Solidarität, Gerechtigkeit und Toleranz“.
Wo das Land keine Zuständigkeit hat
Nicht beschließen kann der Landtag ein Kopftuchverbot für Mädchen bis zu einem Alter von zehn Jahren. Deswegen fordert die ÖVP-FPÖ-Koalition von der Bundesregierung ein entsprechendes Verfassungsgesetz.
Kenan Güngör schlägt ein Verbot bis 14 Jahre vor. Mädchen sollten ein Kopftuch nur tragen, wenn sie „religionsmündig“ sind, sagt er. Und noch eine Forderung an die Bundesregierung enthält der „Aktionsplan“: Das Kreuz würde die ÖVP-FPÖ-Koalition gerne in allen öffentlichen Gebäuden sehen, das liegt aber ebenso in der Hand des Bundes.
Regional wenig Handlungsspielraum
Die Möglichkeiten eines Bundeslandes seien in diesem Bereich ohnehin beschränkt, sagt Direktorin Lisa Fellhofer. Der Großteil des politischen Islams spiele sich im Online-Bereich ab. „Das kann man nur auf europäischer Ebene regeln mit den Plattformen gemeinsam, aber nicht auf regionaler Ebene.“ Güngör sieht Handlungsbedarf in der Jugendarbeit in Schulen und Vereinen. Politischer Islam verbreite sich auch über soziale Gruppen, sogenannte Peer-Groups. Das müsse man einbeziehen.
Was am Mittwoch noch kein Thema sein wird
Zwei Bereiche des „Aktionsplans“ werden in der Landtagssitzung kein Thema sein. Das Bundesland soll eine eigene „Beobachtungsstelle für radikalen Islam“ bekommen, die sich im Prinzip denselben Aufgaben wie die bundesweite Dokumentationsstelle Politischer Islam widmen soll. Betont wurde, dass man Doppelgleisigkeiten verhindern wolle.
„Das Thema hat so viele Ebenen, also kann das durchaus unterstützend wirken, wenn wir da zusammenarbeiten“, sagt die Direktorin der Dokumentationsstelle Lisa Fellhofer. Man sei „in Gesprächen“.
Der zweite Bereich, der angekündigt aber noch nicht umgesetzt wurde, sind Empfehlungen für Pflichtschulen, u.a. genannt werden „Schwerpunkte im Sachunterricht“. Bereits beschlossen wurde im März der Sicherheitsrat – mehr dazu in Sicherheitsrat gegen Extremismus kommt (noe.ORF.at; 18.03.2025).
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