Heute fand der zweite Verhandlungstag gegen einen 22-Jährigen aus dem Bezirk Ried statt. Er soll am 19. Jänner 2024 seinen Vater erstochen haben. Der Angeklagte argumentierte mit Notwehr – der Vater soll zuvor Schüsse abgefeuert haben. Zur versuchten schweren Körperverletzung während der U-Haft in der Justizanstalt Ried zeigte sich der 22-Jährige schuldig. Der Prozess wurde erneut vertagt.
RIED. In der Tatnacht am 19. Jänner eskalierte wieder einmal ein Streit zwischen dem Opfer und seinem Sohn. Nach zwei Ohrfeigen des 22-Jährigen ging der Vater ins Obergeschoss, um sich seine Langwaffe zu holen. Daraufhin feuerte er zwei Schüsse ab. Eine folgende Ladehemmung nutzte der Angeklagte als Gelegenheit, seinem Vater die Waffe wegzunehmen. Dazu verwendete er ein Messer, mit dem der Sohn auf sein Opfer neunmal einstach. Der schwerverletzte Vater schleppte sich nach der Rangelei zum Haus der Nachbarn, die den Notruf absetzten. Kurze Zeit später verstarb der Mann im Krankenhaus. Für die Verteidigung ist klar, dass es sich um Notwehr gehandelt habe.
Mehr dazu im Bericht zum ersten Verhandlungstag:
War es Mord oder Notwehr?
Mittlerweile ist der 22-Jährige mit einer weiteren Anklage konfrontiert. Der Beschuldigte soll am 23. November vergangenen Jahres in der Untersuchungshaft einen Häftling mit Faustschlägen, Tritten und einem Metallrohr verletzt haben. Dieser Tatbestand wurde am 29. April mitverhandelt. Laut Staatsanwalt Jakob Hippmaier soll es am Abend vor der Tat zu Unstimmigkeiten gekommen sein. „Dieses Verhalten macht mich nicht glücklich. Eine solche Tat in einem laufenden Verfahren grenzt an Dummheit“, so Verteidiger Andreas Mauhart in seinem Plädoyer und fügt an: „Aber seien wir ehrlich: Das Gefängnis ist kein Kindergeburtstag. Von draußen ein schnelles Urteil zu fällen, ist leicht“, sagt Verteidiger Andreas Mauhart. Sein Mandant soll zuvor zweimal auf den Boden geworfen worden sein und habe die Nerven verloren. In der folgenden Einvernahme des Angeklagten kam es zu einem Geständnis.
Zeugenaussagen
Danach folgte die Fortsetzung der Zeugenbefragungen zum ursprünglichen Tatbestand. Ehemalige Nachbarn pflegten laut ihren Aussagen ein „freundliches“ Verhältnis zur betroffenen Familie. Eine Zeugin betonte allerdings, dass dem Vater immer wieder ein massiver Alkoholkonsum anzumerken war. „Wenn Sie mich fragen: Ja, er hatte ein Alkoholproblem“, so die Frau gegenüber dem Vorsitzenden des Geschworenengerichts, Andreas Rumplmayr. Der Angeklagte hingegen beteuerte gegenüber den Nachbarn immer wieder, dass er seinem Vater beweisen wolle, dass er es doch zu etwas bringen kann. „Er war immer hilfsbereit und freundlich“, erklärt eine Zeugin.
Gutachten: „Es waren keine Warnschüsse“
Im Anschluss berichtete der ballistische (waffentechnische) Gutachter von seinen Einschätzungen zur Schussabgabe: „Die Ermittlungen lassen darauf schließen, dass der Vater mit dem ersten Schuss vom Treppenhaus aus gezielt auf seine Ehefrau geschossen hat.“ Auch die zweite Schussabgabe in Richtung Wohnzimmer sei gezielt gewesen. „Gezielte Schüsse werden auch dann keine Warnschüsse, wenn sie ihren Bestimmungsort verfehlen“, fasst der Gutachter zusammen.
„Was ist, wenn die Aussagen der Zeugen nicht der Wahrheit entsprechen? Was ist, wenn die Frau gar nicht dort gestanden ist?“, warf Staatsanwalt Hippmaier in den Raum, „Würde sich das Gutachten ändern, wenn der Sohn doch aus der Küche kam, wie es in der ersten Aussage der Mutter noch hieß?“ Ein folgendes, längeres Wortgefecht zwischen Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Richter beendete Letzterer mit einer Feststellung: „Der Angeklagte kann bei der Schussabgabe nicht im Wohnzimmer gesessen haben, sonst wäre er tot.“
Im Anschluss an die hitzige Debatte führte der Gerichtsmediziner sein Gutachten zum Fall aus. Es gab neun Stichverletzungen: drei am Rücken, drei an der rechten Schulter, zwei im Bauchbereich und eine am Nacken. Einige davon müssen aufgrund der Tiefe mit großer Wucht durchgeführt worden sein, erklärt der Experte.
Verteidigung stellt Beweisanträge – vertagt
Am Nachmittag wurde das Verfahren mit dem Tatbestand der versuchten schweren Körperverletzung während der U-Haft fortgesetzt. Die kontradiktorische Einvernahme des Mithäftlings und Opfers wurde vorgespielt. Bereits in den Tagen vor dem Angriff kam es zu einer Attacke. Vor den Schlägen mit der Eisenstange habe der 22-Jährige seinem Zellengenossen vom Bett aus einen Fußtritt gegen die Brust verpasst. „Ich wollte die Beamten rufen, plötzlich stand er mit der Stange hinter mir und schlug mir damit auf den Kopf, den Finger und das Schienbein. Er wollte nicht aufhören, Gott sei Dank hab ich es geschafft, ihm die Stange abzunehmen“, schilderte das Opfer.
Da die Verteidigung noch weitere Beweisanträge stellte, wurde die Verhandlung auf den 17. Juli vertagt.
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