Die Budgetsituation ist trist, aber sie wird sich schon bessern: Diesen Eindruck vermittelt die türkis-rot-pinke Koalition seit ihrem Amtsantritt. Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) spricht etwa davon, dass nun zwei harte Jahre kommen, was freilich auch darauf hindeutet, dass es danach schon besser würde. Im Koalitionsabkommen sind für 2025 und 2026 eine Reihe von Einsparungen vorgesehen (die vielleicht sogar noch ausgeweitet werden). Zugleich wird für 2027 eine Senkung der Lohnnebenkosten in Aussicht gestellt, wenn dafür Budgetmittel ausreichen.

Allerdings gehen Fachleute mit zunehmender Sicherheit davon aus, dass die Koalition und die Bevölkerung lieber nicht auf eine Entspannung bei der Budgetsituation bauen sollten. Im Gegenteil: Österreich steuert auf eine größer werdende Budgetlücke zu, der Druck auf die öffentlichen Finanzen wird zunehmen, und zwar trotz des aktuellen Sparpakets. Das ist das Ergebnis einer Rechnung des Fiskalrats, der abzuschätzen versucht hat, wie sich das Budget bis 2070 entwickelt.



Eine Kombination aus einer aktuell schwachen wirtschaftlichen Entwicklung und den steigenden demografischen Kosten für Alterung, Gesundheit und Pflege sorgt dafür, dass Österreichs Budget zusehends unter Druck gerät, zeigt die am Mittwoch veröffentlichte Analyse. Nun sind langfristige Prognosen bis 2070 natürlich mit extremen Unsicherheiten behaftet, sowohl die wirtschaftliche Entwicklung als auch die Bevölkerungsprognosen betreffend. Interessanter ist es daher wahrscheinlich, sich die Zahlen für die nähere Zukunft anzusehen.



Budgetlücke wird größer

Bis 2040 rechnet der Fiskalrat damit, dass sich die Budgetlücke auf 2,3 Prozent der Wirtschaftsleistung auswächst, was rund 13 Milliarden Euro entspricht. Bis 2045 geht diese Lücke sogar auf 19,2 Milliarden Euro auf. Gerechnet ist das zu Preisen aus dem Jahr 2023, Inflationseffekte sind also nicht berücksichtigt. Das aktuell geplante Sparpaket der Regierung ist in diesen Zahlen allerdings schon miteingerechnet.



Was versteht man nun genau unter dieser Lücke? Sie besteht einerseits aus dem Staatsdefizit, also dem Teil, um den die Ausgaben die Einnahmen übersteigen. Dazu kommt noch, dass der Fiskalrat einrechnet, dass die Vorgaben aus dem EU-Schuldenpakt eingehalten werden müssen. Diese sehen vor, dass ein kleiner Budgetüberschuss zu erzielen ist, um Österreichs Schuldenberg ganz langsam zu reduzieren. Die Fiskallücke ist also etwas größer als das tatsächliche Defizit und gibt an, wie hoch der Sparbedarf aus heutiger Sicht sein dürfte, wenn man sich an EU-Regeln hält.

Werden es mehr als zwei harte Jahre? Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ)
REUTERS/Lisa Leutner

Interessant ist es auch, die Faktoren hinter der Entwicklung anzusehen. Einer ist natürlich die Alterung der Gesellschaft. Der Anteil der Menschen in der Gruppe der über 65-Jährigen steigt von aktuell etwa 20 auf rund 30 Prozent über die kommenden 15 bis 20 Jahre an. Aktuell kommen auf je 100 Beschäftigte 50 Pensionistinnen und Pensionisten. Dieser Wert steigt auf rund 70 Rentner an. Dazu kommt, dass die hohe Inflation der vergangenen Jahre zu höheren Anstiegen bei Pensionszahlungen geführt hat. Dann gab es in den vergangenen Jahren noch Extra-Erhöhungen für die Gruppe.



Der größte Teil des Anstiegs der Kosten für die Alterssicherung um insgesamt 1,9 Prozent der Wirtschaftsleistung erfolgte bereits, findet also 2025 bis 2026 statt. In den kommenden Jahren (und Jahrzehnten) steigen die Ausgaben nicht mehr dramatisch weiter an in Relation zur Wirtschaftsleistung. Anders ist das bei Kosten für Gesundheit und Pflege: Hier erfolgt ein weiterer Anstieg der Kosten, und zwar nach und nach. Die zusätzlichen Ausgaben für Gesundheit sind laut Fiskalrat auch die größte Belastung der künftigen Budgets. Die Kosten für Gesundheit sollen bis 2070 in Relation zu aktuellen Ausgaben um 2,3 Prozent des BIP steigen. Dazu kommt als Problem, dass Österreich eine Reihe von Ausgaben indexiert hat, sie also mit der Inflation mitsteigen. Dazu zählen neben Pensionen etwa auch Familien- und Pflegeleistungen. Seit der Abschaffung der Kalten Progression, also der schleichenden Steuererhöhungen, sind Einnahmen weit weniger dynamisiert. Das erzeugt zusätzlichen Druck.



„Massive Problem bei Nachhaltigkeit der Finanzen“

Gute Nachrichten gibt es auch: Die Verwaltungskosten werden in Relation zu Gesamteinnahmen über die kommenden Jahre sinken, so wie sie das schon in der Vergangenheit tendenziell getan haben. Hier ist noch gar nicht mitberücksichtigt, dass ein Teil der älteren Beschäftigten im Staatsdienst in Pension geht und in den nächsten Jahren jüngere, also billigere Kräfte nachrücken. Der Fiskalrat hat nur auf Basis der vergangenen Entwicklung die Kostenreduktion in Teilen des öffentlichen Dienstes fortgeschrieben. Klimakosten sind bei der Rechnung auch nur in Form steigender Ausgaben berücksichtigt, etwa für EU-Strafen, wenn Österreich sich nicht an EU-Vorgaben hält. Angenommen wird auch, dass weniger Sprit getankt wird, was die Einnahmen aus der Mineralölsteuer senken wird. Was nicht berücksichtigt ist: Wie wirkt sich das auf die heimische Wirtschaftsleistung aus? Zu erwarten wäre ja, dass niedrigere Ausgaben für importiertes Öl dazu führen, dass mehr Geld in Österreich verbleibt und damit Konsum und Investitionen hierzulande angekurbelt werden.



Was folgt nun daraus? „Die wirtschaftspolitische Debatte in Österreich dreht sich oft um die Frage, wie und ob Österreich die EU-Fiskalregeln einhält“, sagt Fiskalrat-Chef Christoph Badelt. Das verstecke aber die wahre ökonomische Problematik nur. “ Auch ohne EU-Regeln hätten wir ein massives Problem bei der Nachhaltigkeit unserer Finanzen.“ Was ist zu tun? Badelt rät zu einer Kombination verschiedener Maßnahmen, angefangen beim Anheben des Pensionsantrittsalters. Die Regierung sollte den Mix bei der Ausgaben- und Einnahmendynamik nochmal überdenken. (András Szigetvari, 30.4.2025)

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DER STANDARD