Die Burgenland Energie will in Zurndorf grünen Wasserstoff produzieren. Doch Anrainerinnen protestieren, und ein mächtiger Konkurrent könnte schneller sein
Der Streit über eine Wasserstofffabrik im Nordburgenland lässt sich auch an zwei Menschen erzählen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Stephan Sharma, 44 Jahre alt, ist Chef der Burgenland Energie. Er spricht gerne über energiepolitische Visionen.
Gundula Neumann, 80 Jahre alt, ehemalige Schuldirektorin, liebt die Natur und beobachtet gerne Vögel. Neumann wohnt mehr als ihr halbes Leben lang auf dem Friedrichshof, in einer Siedlung, die zur Gemeinde Zurndorf gehört. Sie spricht gerne übers Bewahren.
Sharma dirigiert einen Konzern mit 900 Millionen Euro Umsatz (Geschäftsjahr 22/23). Neumann verwaltet nur ihr Haus und ihren Garten. Bis heute pendelt Sharma täglich mit seinem Elektroauto von seinem Wohnort Wien ins Büro in Eisenstadt. Neumann fährt mit ihrem Auto selten weiter als bis zum nächsten Gartencenter.

Gas ohne CO2-Emissionen
Worum geht’s genau? Die Burgenland Energie will in Zurndorf ein Wasserstoffwerk bauen, das in der finalen Ausbaustufe jährlich 30.000 Tonnen grünes Gas erzeugt. Sharma befürwortet das Projekt nicht nur, er gilt auch als der Ideengeber. Neumann ist Anrainerin und hat mit ein paar Mitstreiterinnen den Verein Lebensraum Pannonia gegründet, sie will die Fabrik verhindern.
Es klingt nach einem Duell mit ungleichen Kräften. Aber im Rennen um die öffentliche Deutungshoheit über den Sinn des Projekts liegt die Pensionistin erstaunlich gut. Mehr als 1400 Leute haben bisher gegen das Wasserstoffwerk unterschrieben. Neumann sagt: „Die Chancen stehen höher als 50 Prozent, dass wir die Fabrik noch abwenden.“
Sonne, Wind und Wasserstoff
Warum in Zurndorf? Die Gemeinde sei mit reichlich Windrädern und mittlerweile auch Photovoltaik ein guter Standort, heißt es aus der Burgenland Energie. Denn in Wasserstoff verwandelt können erneuerbare Energien wie Wind- und Sonnenstrom gespeichert und transportiert werden, man spricht dann von grünem Wasserstoff.
Die Industrie sieht grünen Wasserstoff als Schlüssel, um Öl und Erdgas auf klimafreundliche Weise zu ersetzen, etwa in der Stahlproduktion. Auch die türkis-grüne Regierung verkündete im Jahr 2022 eine nationale Wasserstoffstrategie. Für die Burgenland Energie steht das Werk in Zurndorf daher im Einklang mit nationalen Interessen. Der Verein Lebensraum Pannonia sieht es anders: Eine Wasserstoffproduktion braucht natürlich jede Menge Wasser. Die Parndorfer Platte, wo Zurndorf liegt, sei dafür viel zu trocken.
„Die erforderlichen Wasserressourcen sind vorhanden, die maximale Entnahmemenge ist vertretbar.“
Helmut Herlicska, technischer Leiter des Wasserleitungsverbands, über die Dimension des geplanten Werks

Zurndorf und die große Welt
Im Büro von Stephan Sharma: Es gebe definitiv genügend Wasser für eine Wasserstoffproduktion, betont er. „Wir wollen das Burgenland bis 2030 klimaneutral und energiesicher machen“, sagt Sharma. Das sichere auch die heimischen Arbeitsplätze. Dazu gehörten Wind- und Sonnenenergie, Stromspeicher und eben grüner Wasserstoff.
Im Laufe des Termins spricht Sharma viel über das große Ganze, über sibirische Gasfelder und Flüssiggastanker in Rotterdam, über Wladimir Putin und Donald Trump. Am Ende des Gesprächs hüpft er auf und deutet auf ein Kindergemälde in seinem Büro: Darauf treffen sich ein Löwe und ein Pinguin in einer intakten Natur unter Windrädern. Das Bild aus einem Schulwettbewerb sei die Vision seines Unternehmens für das Burgenland, abgesehen vom Löwen und dem Pinguin, wie er scherzhaft sagt. Sharma redet viel über die Zukunft Europas, weniger über die Gegenwart Zurndorfs.
Gundula Neumann empfindet die Kommunikation als nebulös, vom Wasserstoffwerk habe sie „aus der Zeitung erfahren“. Sharma sieht keine Fehler: „Wir kommunizieren dann, wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen. Wir sind mitten in der Projektentwicklung.“

Diskussion übers Wasser
Und welches Gewicht haben die Argumente der Projektgegnerinnen? In der Petition kritisieren sie „ein Wasserstoffwerk in der wasserärmsten Region Österreichs“. Das Wasser für das Werk, heißt es dazu aus dem Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland (WLV), werde aus mehreren Grundwasserkörpern (Parndorfer Platte, Seewinkel, Heideboden) kommen. Der WLV ist ein Verband von Gemeinden, der die Wasserversorgung der Bevölkerung sichern soll.
Im Endausbau soll das Wasserstoffwerk laut WLV jährlich maximal 600.000 Kubikmeter Wasser ziehen. Zum Vergleich: Die Landwirtschaft im Nordburgenland habe 23 Millionen Kubikmeter zur Verfügung. „Die erforderlichen Wasserressourcen sind vorhanden, die maximale Entnahmemenge von 25 Litern pro Sekunde ist vertretbar“, sagt Helmut Herlicska, technischer Leiter des WLV. Es sei auch vertraglich festgelegt, dass die Wasserlieferung zum Werk bei „außergewöhnlichen Wassermangellagen“ reduziert werden könne.
So richtig entspannt ist die Lage der Wasserversorgung im Osten Österreichs offenbar nicht: Der Rechnungshof empfahl im Vorjahr, wegen der sinkenden Grundwasserstände ein digitales Melderegister für Wasserentnahmen zu schaffen. Landwirtschaftliche Betriebe sollten demnach ihre Entnahmen messen und melden. Herlicska sagt, er würde das begrüßen.

Wasserstoff-Mythen
Werner Falb-Meixner (ÖVP) ist wie die Bewohnerinnen des Friedrichshofs ein Anrainer und Gegner des Wasserstoffwerks. Der Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Burgenland befürchtet ebenfalls Verteilungskämpfe ums Wasser, sorgt sich aber auch um die Wasserstoffpipelines Richtung Wien. Fachleute hätten ihm gesagt, „nach zehn Jahren sind die Leitungen kaputt“. Viktor Hacker, Wasserstoffexperte an der TU Graz, nennt es einen „Mythos, dass Wasserstoff die Materialien versprödet“. Mit einem „speziellen, austenitischen Stahl“ sei der Transport kein Problem.
Ein besonders harter Vorwurf der Projektgegnerinnen zielt auf mögliche künftige Abnehmer des Wasserstoffs: Zu erwarten sei Greenwashing, ein Vortäuschen umweltfreundlichen Verhaltens von Konzernen. Weil eine Pipeline den Wasserstoff auch nach Schwechat bringen soll, richtet sich der Groll auch gegen die OMV und deren Raffinerie dort. „Die OMV macht wieder einen herkömmlichen Kraftstoff daraus, der CO2 emittiert“, sagt Christine Sommer, eine Verbündete Neumanns.

Sharma: „Kein Greenwashing“
Die OMV will dies nicht kommentieren, mit der Burgenland Energie habe man „keinerlei Abnahmevereinbarung“. Energie-Burgenland-Chef Sharma weist die Kritik zurück: „Wir wollen aus grünem Strom Wasserstoff produzieren. Dieses grüne Gas wird dann in der Industrie eingesetzt. Wenn zum Beispiel die OMV-Tochter Borealis unser Gas zur Produktion verwendet anstatt von fossilem Erdgas aus Russland, kann von Greenwashing keine Rede sein.“
Auch TU-Professor Hacker kann den Vorwurf nicht nachvollziehen: „Greenwashing wäre, wenn eine Firma grünen Wasserstoff für ein Produkt verwendet und dieses dann als insgesamt grün vermarktet. Aber die Verwendung von grünem Wasserstoff ist tatsächlich eine Verbesserung.“
Bleibt die Sorge der Anrainerinnen und Anrainer um die Natur, sie sagen, das Wasserstoffwerk käme mitten in einen Vogelschutzkorridor. Beim gemeinsamen Spaziergang zum Feld, auf dem die Fabrik errichtet werden soll, berichtet Neumann von Kaiseradlern und Waldohreulen, die man hier noch sehe. Würde die Fabrik sie verdrängen? Die Burgenland Energie entgegnet: „Das Projekt befindet sich außerhalb des Natura-2000-Vogelschutzgebiets, mehr als 350 Meter entfernt, und verdrängt und gefährdet keine Vögel.“
Konkurrenzprojekt
Eine Entwicklung könnte die Burgenland Energie mehr schmerzen als jeder Bürgerprotest. Die OMV plant zusätzlich zu einem schon fertigen Wasserstoffwerk in Schwechat eine große Anlage im Bezirk Bruck an der Leitha in Niederösterreich, unweit von Zurndorf. Im Falle einer positiven Investitionsentscheidung werde noch heuer zu bauen begonnen, teilt die OMV mit.
Sharma gibt sich zwar gelassen, die zwei Projekte seien „miteinander abgestimmt, zur Sicherung der heimischen Industrie brauchen wir beide“. Aber sollte das Wasserstoffwerk in Bruck deutlich früher eröffnen, wäre das wohl schlecht für das Projekt in Zurndorf.
Wasserstoffgesetz fehlt
Aus dem einst geplanten Produktionsstart 2026 wird nichts mehr. Sharma kritisiert, dass trotz Energiekrise in den vergangenen drei Jahren keine rechtlichen Grundlagen für ein Wasserstoffnetz beschlossen wurden, und sieht offenbar Versäumnisse bei der alten Bundesregierung. „Im neuen Regierungsprogramm wurde die Schaffung dieser gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Wasserstoffhochlauf vereinbart, wobei kein konkreter Zeitpunkt festgehalten wurde“, sagt Sharma. „Damit können wir nicht sagen, wann ein konkreter Startzeitpunkt realistisch ist.“ (Lukas Kapeller, 26.4.2025)
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