Die Weisung ereilte Justizanstalten Freitagfrüh, und sie könnte in der Beschaffung der öffentlichen Hand eine Kehrtwende einläuten. Absender war das Justizministerium, adressiert war die Nachricht an Küchenchefs im Straf- und Maßnahmenvollzug, die wiederum ihre Lieferanten in Kenntnis setzten. Wie DER STANDARD erfuhr, soll ihr Einkauf von biologischen Lebensmitteln aus Kostengründen gestoppt werden.

Ministerien sehen sich gezwungen zu sparen. In der Justiz beginnt man bei den Lebensmitteln. Macht dies Schule, verliert Österreichs Biolandwirtschaft an Boden.
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Es sind hehre Ziele, die sich Österreichs Regierung 2021 setzte, um nachhaltige Landwirtschaft zu fördern. Auf 30 Prozent sollte der Bioanteil in Einrichtungen des Bundes bis 2025 wachsen. Bis 2030 sichert ein verbindlicher nationaler Aktionsplan 55 Prozent zu. „In allen Ministerien“ soll dieser „konsequent“ umgesetzt werden, verlautet das neue Regierungsprogramm.



Ambitioniert und ressortübergreifend wolle man Biolandwirtschaft ausbauen, ist darin festgehalten. Tiergerecht und regional müsse die öffentliche Beschaffung werden. Eine der ersten Amtshandlungen des SPÖ-geführten Justizministeriums ist jedoch, mit diesen Regeln zu brechen. „Der Einkauf von Biolebensmitteln ist derzeit kein prioritäres Monitoring- und Controllingziel der Generaldirektion für den Strafvollzug“, bestätigt das Ressort auf Nachfrage.



Die Verbitterung in der Biobranche ist groß. Angst geht um, dass andere öffentliche Institutionen angesichts des Drucks zu sparen, folgen und eine Kettenreaktion auslösen: Es gehe nicht nur um bestehende Verträge mit Biobetrieben und laufende Ausschreibungen. Setze der Bund als wichtiger Abnehmer entgegen seinen Vorgaben wieder nur auf billige Importware, beschädige das die regionale Wertschöpfung und zerstöre bisherige Aufbauarbeit, so der Tenor. Schlagend könnte dies bereits Ende nächster Woche werden: Eine neue Rahmenvereinbarung sieht einen jährlichen Einkauf von Biomilch, entsprechender Tiefkühl- und Trockenware im Volumen von mehr als 40 Millionen Euro vor.



Rechtlich sauber?

Olga Voglauer, Landwirtschaftssprecherin der Grünen, brachte noch am Freitag eine parlamentarische Anfrage ein: „Gibt es diese Weisung, drängt sich die Frage auf, ob die Beschaffung des Justizministeriums vergaberechtlich korrekt ist. Weitet sich dieses Beispiel auf andere Ressorts aus?“ Setze sich das Ministerium, das über seine Stabsstellen auch für das Vergaberecht des Bundes verantwortlich ist, über Aktionsplan und Regierungsprogramm hinweg, verkomme dieses zur Makulatur, warnt Voglauer. „Biobauern zieht es den Teppich unter den Füßen weg.“



Karin Doppelbauer von den Neos zeigt sich irritiert. Die öffentliche Beschaffung sei ein starker Hebel, um ökologische Landwirtschaft zu unterstützen, betont sie. Der Aktionsplan sei nicht freiwillig, sondern gesetzlich verankert. Sie werde mit allen Beteiligten das Gespräch suchen. Überrumpelt worden sein sollen SPÖ-Landwirtschaftsvertreter. Auch diese hatten sich zuletzt bemüht, Fortschritte bei nachhaltigem Einkauf zu erzielen.



Bisher kauft der Bund für seine Institutionen von Schulen bis Kasernen fernab selbst gesteckter Ziele weniger als drei Prozent der Lebensmittel in Bioqualität ein. Im Einzelhandel liegt deren Anteil bei fast zwölf Prozent.



Die Biobewegung „Enkeltaugliches Österreich“ prüft rechtliche Schritte. Das Vorgehen des Justizministeriums widerspreche dem Aktionsplan und dem Bestbieterprinzip bei der Lebensmittelausschreibung, sagt Barbara Holzer-Rappoldt, Mitbegründerin der Initiative. Landwirte und Verarbeiter fühlten sich zum Narren gehalten. „Hier wird auf Kosten der nächsten Generation gespart.“ (Verena Kainrath, 25.4.2025)