Um 6,8 Milliarden Euro erwirbt das Wiener Finanzhaus Teile einer polnischen Bank. Nach einer Phase politischer Probleme wird Osteuropa wieder zum Hoffnungsgebiet
Wien – Es ist schon einige Zeit her, dass Österreich in Sachen Banken zur Großmacht in Mittel- und Osteuropa aufstieg. In den Jahren zwischen der Ostöffnung und der internationalen Finanzkrise 2008/09 ging die Expansion im Osten rasant voran. Es herrschten Pioniergeist und Goldgräberstimmung. Die Zukäufe in als schwierig geltenden Märkten brachten hohe Profite ein. Doch diese Zeit wirkt lange her – später begannen sich politische Probleme zu häufen, etwa wegen der Geschäfte mit Fremdwährungskrediten. Neuerdings steht vor allem das unklare Schicksal der Raiffeisen-Tochter im sanktionierten Putin-Russland im öffentlichen Fokus.
Angesichts dessen klingt das, was die Erste Group – Österreichs größte Bank mit Zentrale nahe dem Wiener Belvedere – vermeldet, fast ein wenig retro: Um 6,8 Milliarden Euro erwirbt das Wiener Finanzhaus 49 Prozent an der Santander Polska, also der polnischen Tochter der spanischen Großbank Santander. Es ist einer der größten heimischen (und europäischen) Bankendeals der vergangenen Jahre – und es macht die Erste auf einen Schlag zum wichtigen Player auf dem polnischen Bankenmarkt.
Die polnische Santander-Bank ist die drittgrößte Bank Polens und die größte in privaten Händen. Seit Jahren habe man auf die Gelegenheit gewartet, in den polnischen Markt einsteigen zu können, erklärte Erste-Group-Chef Peter Bosek am Montag. Nicht nur erreiche man dank des großen Einstiegs gleich bei Markteintritt „eine kritische Masse“; Santander sei auch die derzeit schnellstwachsende Bank Polens.
Vorbehaltlich der Zustimmung der Behörden werde die Erste einen „beherrschenden Anteil von 49 Prozent“ erwerben, heißt es. Beherrschend deshalb, weil man nach polnischer Rechtslage mit einem solchen Anteil über alles Relevante bestimmen kann. Nach dem Deal werden voraussichtlich rund 13 Prozent bei Santander verbleiben; die übrigen Anteile befinden sich im Streubesitz. Auch eine Umbenennung der polnischen Santander ist mittelfristig angestrebt. „Als das führende Kreditinstitut in Zentral- und Osteuropa bauen wir unsere Präsenz in der Region weiter aus und expandieren in einen der dynamischsten und profitabelsten Bankenmärkte Europas“, sagt Bosek.

Die polnische Santander-Tochter hat rund 7,5 Millionen Kunden und einen Marktanteil von acht Prozent. Die Erste Group erwartet sich durch den Zukauf einen spürbaren Gewinnanstieg: Die Verzinsung des materiellen Eigenkapitals (ROTE) soll im Jahr 2026 von bisher erwarteten 15 Prozent auf etwa 19 Prozent steigen. Warum die rosigen Aussichten, und warum überhaupt die Tatsache, dass erstmals seit Jahren wieder ein großer Bankendeal mit Ostbezug stattfindet?
Das hat auch damit zu tun, dass in Polen, im Gleichklang mit anderen Staaten Mittel- und Osteuropas, die Wirtschaftslage vergleichsweise gut ist. Für heuer etwa wird mit einem Wachstum von rund drei Prozent gerechnet – in Österreich und Deutschland hingegen wird, wenn überhaupt, ein Wachstum im Zehntelprozentbereich erwartet. Wegen vergleichsweise hoher Einkommenszuwächse florieren im Osten Konsum und Dienstleistungen – und die Krise weiter westlich schlägt kaum durch. Dazu kommt, dass Polen im Vergleich zu anderen EU-Staaten bankenmäßig eher unterentwickelt ist.

Nicht nur für Banken, auch für Versicherungen ist Osteuropa deshalb wieder ein lukrativer Wachstumsmarkt. Zur Einordnung: In Österreich gibt ein Einwohner im Schnitt 2100 Euro pro Jahr für Versicherungen aus. In Osteuropa sind es 400 bis 500 Euro – und zwar in den „reiferen Märkten“ wie Polen und Tschechien. In versicherungsmäßig weniger entwickelten Staaten wie Bulgarien und Rumänien sei das Wachstumspotenzial noch größer, sagen Experten. Die Uniqa etwa ist im Vorjahr in Polen mit einem Prämienvolumen von 22 Prozent besonders stark gewachsen. Diese Zahlen zeigen die Wachstumshoffnung der Assekuranzen deutlich.
Auch die Vienne Insurance Group (VIG) hat ihre Marktpräsenz in Polen zuletzt ausgebaut. Die Versicherung hat sich an Phinance beteiligt, einem der größten Finanzmakler Polens. Damit erlangt die VIG Zugang zu dessen Kunden- und Beraternetzwerk. Erst im Herbst 2024 hat die VIG ihre Kräfte am polnischen Markt gebündelt und mit der Fusion ihrer drei Lebensversicherungsgesellschaften den viertgrößten Lebensversicherer unter dem Namen Vienna Life Towarzystwo Ubezpieczen na Zycie S.A. Vienna Insurance Group (Vienna Life) gegründet. (Joseph Gepp, Bettina Pfluger, 5.5.2025)
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