Arbeitsleid und Arbeitslust

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Der „Tag der Arbeit“ erinnert an eine Kultur gemeinsamer Anstrengung, die im Sozialstaat brüchig geworden ist. Wir sollten uns für eine Renaissance einsetzen.

Wohl seit Anbeginn der Zeit träumt der Mensch vom arbeitsfreien Leben. Davon zeugen nicht nur Motive wie das biblische Paradies, in dem ganz un-vegan Milch und Honig fließen. Schon in der Antike galt das Nichtstun als Ideal. Und heute ist es die Künstliche Intelligenz, die uns eine Befreiung vom Joch der Werktätigkeit verheißt.

Doch leider sind bisher alle einschlägigen Fluchtversuche gescheitert. Der Arbeit entrinnen wir nicht so leicht. Gerade Technik und Digitalisierung künden eindrucksvoll von enttäuschter Freizeithoffnung. Das merkt jeder privat: Man kann zwar seinen Haushalt mit Staubsauger-, Rasenmäher- und Fensterputz-Robotern vollstopfen. Aber diese Geräte wollen pausenlos entleert, befüllt, gesteuert, geladen und gewartet werden. Man muss Möbel rücken, Schnittmesser reinigen, verschmutzte Behälter tauschen. Es wird nur eine Arbeit durch die andere ersetzt.

So nährt sich dann doch wieder der Verdacht, dass wir dauerhaft aus dem Paradies vertrieben sind. Aber ist das schlecht? Ist es nicht geradezu die Essenz eines guten Lebens, dass wir uns diszipliniert um das Erreichen von Zielen bemühen, um hinterher zufrieden zu sein?

Allen Lebewesen ist der Existenzkampf gemein. Unser Zusammenleben ist wie ein Energiesystem: Es funktioniert nicht, wenn jeder nur Energie herauszieht. Arbeit wäre demnach jener Akt, der dem System neue Energie zuführt. Wer arbeitet, überwindet seine Selbstbezogenheit und stellt sich in den Dienst anderer. Das bringt neben Geld auch Anerkennung, Selbstwert, Lebenssinn.

In der Frühzeit der Industrialisierung lag dieser Zusammenhang so sehr auf der Hand, dass in der „Arbeiterbewegung“ um dieses Thema herum eine ganze Kultur aus Parteien, Wohnbauten, Sportvereinen, Bibliotheken und Arbeiterliedern erblühte. Arbeitslosigkeit war die Schattenseite, das Gespenst. Der Sozialstaat hat ihm viel von seinem Schrecken genommen. Aber er hat uns mit seinen habituellen Wucherungen allmählich die Lust am Arbeiten vergällt.

Im Windschatten staatlicher Daueralimentierung droht eine Entsolidarisierung, eine Aufkündigung des allseitigen Beistandspakts. Wenn man einerseits ganz passabel von öffentlicher Hilfe leben kann, aber andererseits sogar Vollzeit-Gehälter nicht für Eigentumsbildung und die Erfüllung von Lebensträumen reichen, dann droht eine gefährliche Flucht aus der Arbeit. Es fehlen dann nicht nur Kräfte für die Gemeinschaft. Auch das Leben der Einzelnen verdunkelt sich. Von Lottogewinnern, Filmstars und Millionenerben kennt man die Tristesse, die ein vermeintlich „sorgloses“ Luxusleben bedeuten kann.

Ein gutes Leben ist nicht problemfrei. Sondern gut ist das Leben dann, wenn es uns lösbare Aufgaben und Probleme stellt. Deshalb müssen wir die Erwerbsarbeit attraktiv halten. Und dort, wo sie es nicht ist, um Verbesserungen ringen. Glücklich leben nicht ohne, sondern in der Arbeit: Das ist ein lohnendes Ziel.

Original Quelle + Bild:

neue.at

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