Insgesamt kam die Klimapolitik trotz des Superwahljahres deutlich seltener in den Medien vor, zeigt das „Klimadiskurs-Monitoring“ des Kontext-Instituts
2024 wäre ein Jahr gewesen, in dem die Klimapolitik in der Öffentlichkeit im Mittelpunkt hätte stehen können. Es war das weltweit heißeste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn, Österreich erlebte nicht nur eine Dürre, einen Hitzesommer, sondern auch ein Jahrhunderthochwasser. Im Superwahljahr samt Nationalratswahl und EU-Wahl hätte es klimapolitisch also mehr zu besprechen gegeben als sonst. Hätte.
Eine neue Analyse des Wiener Klimathinktanks Kontext zeigt: Übers Klima berichteten die Medien im Jahr 2024 deutlich seltener als noch im Jahr davor, nämlich um 13 Prozent weniger. Über klimapolitische Themen wurde darüber hinaus auch heftiger diskutiert als im Vergleichsjahr 2023.
„Die Klimadebatte wird in Österreich weiterhin überwiegend konstruktiv geführt“, sagt Katharina Rogenhofer, Chefin des Kontext-Instituts. „Aber im Jahresvergleich sieht man, dass die destruktiven Kräfte zunehmen.“ In Zahlen ausgedrückt: Der Anteil der destruktiven Aussagen über klimapolitische Maßnahmen und Entscheidungen stieg binnen eines Jahres von 16 auf 28 Prozent an.
Und das liegt vor allem an der FPÖ und der ÖVP. Denn nach wie vor beherrschen die Politikerinnen und Politiker die Klimadebatte in Österreich, mehr als jede dritte Aussage zur Klimapolitik stammt von ihnen. Zum Vergleich: Unternehmerinnen und Unternehmer verbuchen nur jede zehnte Aussage für sich. Während die Grünen ausschließlich und die SPÖ überwiegend konstruktiv über klimapolitische Maßnahmen sprachen – für die Neos und die KPÖ war die Stichprobe zu klein –, sieht das Bild bei den beiden rechten Parteien völlig anders aus. „Fast alle Argumente sind verschleppend“, sagt Studienautorin Anna Pixer.
Scheinlösungen
Die Verschleppung ziele darauf ab, nichts ändern zu müssen. Unter „verschleppend“ verstehen die Studienautorinnen dreierlei. Erstens: Es werden bei klimapolitischen Maßnahmen die Nachteile betont, mitunter auch überzeichnet und damit Ängste geschürt. Zweitens: Es wird die eigene Verantwortung für Maßnahmen abgeschoben – dazu zählt auch das Argument, Österreich könne das Weltklima nicht retten und brauche deshalb nichts gegen die Erderwärmung zu tun. Oder drittens: Es werden Scheinlösungen beworben.
Zu den Scheinlösungen zählt das Kontext-Institut unter anderem das politische Versprechen, Verbrennerautos künftig mit sogenannten E-Fuels klimaneutral betreiben zu können. Laut Expertinnen und Experten ist dieser Kraftstoff aber zu teuer, zu ineffizient und zu rar, um den Verbrennermotor retten zu können. In welche Sackgasse solche Diskussionen führen, konnte man jüngst beobachten. Im Wahlkampf 2019 hatte die ÖVP die Zukunft der Wasserstoffautos heraufbeschworen. Erst vor wenigen Tagen erklärte die OMV, alle öffentlichen Wasserstofftankstellen zuzusperren. Der Wasserstoff hat sich als Kraftstoff für Autos – wie von der Wissenschaft vorhergesagt – nicht durchgesetzt.
FPÖ prägte Diskurs
Eine besondere Rolle in der Klimadebatten-Analyse nimmt die FPÖ ein. Sie hat das Thema mittlerweile für sich entdeckt, das spiegelte sich nicht nur im blauen Wahlprogramm wider, sondern auch in ihren öffentlichen Aussagen im Vorjahr. Dass die FPÖ die klimapolitische Debatte in Österreich stark prägte, liege laut Rogenhofer daran, dass die Partei „viel mehr im Diskurs vorgekommen ist und das erste Mal überhaupt auf Klimathemen fokussiert hat“. Das erklärt mitunter auch, warum die Klimadiskussion insgesamt kontroverser wurde.
Zu den umstrittensten Themen des Vorjahres zählten das EU-Renaturierungsgesetz sowie das Verbrenner-Aus. Insgesamt beherrschten die beiden Themenblöcke Energie und Mobilität die klimapolitische Debatte. Während über Verkehrsmaßnahmen oft heftig diskutiert wurde, wurden der Ausbau erneuerbarer Energien und die Elektrifizierung durchwegs konstruktiv besprochen.
Konstruktive Kräfte
Unter „konstruktiv“ verstehen die Studienautorinnen, den Mehrwert von Klimapolitik zu betonen – etwa dass sie den Wohlstand steigern und die Sicherheit erhöhen. Dabei sollen auch begründete Sorgen angesprochen werden. „Aber es muss klar sein, dass es klimapolitische Maßnahmen braucht und für die Schwierigkeiten Lösungen gefunden werden“, erklärt Studienautorin Johanna Roniger.
Laut der Kontext-Analyse treiben in Österreich vor allem Wissenschafterinnen und Aktivisten den konstruktiven Diskurs voran. Allerdings waren die Aktivistinnen und Aktivisten im Vorjahr deutlich leiser als im Jahr 2023. Nur noch drei Prozent aller medial ausgewerteten Aussagen stammen von ihnen. Zufall oder nicht: 2024 war auch das Jahr, in dem die Letzte Generation das Ende ihres Protests verkündete. (Benedikt Narodoslawsky, 29.4.2025)
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