Von Gabriele Flossmann
Die Nähe des Todes ist im zeitgenössischen isländischen Kino allgegenwärtig. Oft wird dabei das Ende eines irdischen Lebens im Kontext einer übermächtigen, kaum besiedelten Natur gestellt. Dieser Film präsentiert den Tod in einem urbaneren Umfeld und widmet sich auch der Beobachtung seiner Auswirkungen auf junge Menschen. Auf Jugendliche, die sorglos ihren Alltag genießen, weil sie glauben, noch viele Jahre hindurch keinen persönlichen Verlust durch das Ableben eines lieb gewordenen Menschen verkraften zu müssen. Der fast bescheiden daherkommende, schlichte Film mit knapp 80 Minuten Länge wirkt wie eine Zeitungsschlagzeile, die eine Tragödie verkündet, bevor der Blick des Lesers schnell abschweift.
In den in magisches Licht getauchten ersten Einstellungen werden dem Publikum die Protagonisten vorgestellt. Una, eine pansexuelle Kunststudentin, die eine leidenschaftliche Affäre mit Diddi hat, mit dem sie in einer Band spielt. Am Morgen danach will Diddi – noch müde und verkatert – irgendwie nach Hause kommen. Kann er sich das Auto von Unas Mitbewohnerin Gunni ausleihen? Ja. In einem riesigen Tunnel auf seinem Nachhauseweg schießt plötzlich ein Feuerball nach einem Autounfall wie ein Torpedo nach vorne und setzt nachkommende Fahrzeuge in Brand. Dies geschieht so früh im Film, dass diese erzählte Szene nicht als Spoiler gewertet werden kann. Una und Gunni befürchten das Schlimmste, als sie vom Unfall erfahren. Die zuständigen Behörden bestätigen Diddis Tod – und berichten von anderen Opfern. Una befürchtet, indirekt dafür verantwortlich zu sein, da sie den Freund in den Stunden davor daran gehindert hat, rechtzeitig und damit vielleicht auch unversehrt nach Hause zu kommen.
Eindrucksstarkes Schauspiel von Elín Hall in „Wenn das Licht zerbricht“
Als Diddis eigentliche Freundin Klara kommt, um vom Geliebten Abschied zu nehmen und zu trauern, wird für Una die emotionale Last erdrückend. Zum Gefühl, für den frühen Tod des jungen Mannes verantwortlich zu sein, kommt die noch schwerer wiegende Last des Verschweigens. Klara soll nichts vom Seitensprung erfahren. In dem trotz – oder vielleicht gerade wegen – seiner Nicht-Handlung spannenden Film über zwei Seiten einer Dreiecksbeziehung ist der im Titel angedeutete Bruch im Morgenlicht eine Metapher für die bleibende Narben der Trauer in Una und in Klara.
INFO: ISL/F/NL/HRV 2024. 82 Min. Von Rúnar Rúnarsson. Mit Elín Hall.
(kurier.at, Sei)
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