US-Autobauer Ford fertigt acht von zehn Autos in den Staaten. Mehr als die Hälfte der Komponenten dafür wird aber aus dem Ausland importiert. Um sich die Zölle zu ersparen, müsste der Anteil binnen der kommenden zwei Jahre auf 85 bis 90 Prozent steigen.
AFP/JEFF KOWALSKY

Es war ein gewagtes Vorhaben der Handelsplattform Amazon: Wer ein Produkt kauft, sollte sehen, wie viel ihn die US-Zölle kosten. Lange hielt der Plan nicht. Als ein Journalist anlässlich der ersten 100 Tage Donald Trump als US-Präsident dessen Finanzminister Scott Bessent fragte, ob dies nicht gut vor Augen führe, dass die Zölle von den US-Verbrauchern und nicht etwa China gezahlt würden, kam dieser erst gar nicht zur Antwort. Stattdessen sprang die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, dazwischen, sprach von einem „feindlichen und politischen Akt“ Amazons – und wedelte sogleich mit einem extra ausgedruckten Reuters-Bericht herum. Darauf zu sehen: Amazon-Gründer Jeff Bezos, darüber der Titel „Amazon partnered with China propaganda arm„. In dem Artikel vom Dezember 2021 wird Amazons umstrittene Strategie für das China-Geschäft beschrieben. Ein gefundenes Fressen für Leavitt. Und ein Mittel, um Amazon prompt dazu zu bewegen, schleunigst wieder zurückzurudern und etwaige Pläne zu dementieren.



Kaum jemand, nicht einmal die mächtigsten Unternehmen des Landes, trauen sich so recht, lautstark gegen Trump zu wettern. Stattdessen werden immer wieder hohe Konzernvertreter hinter verschlossenen Türen im Weißen Haus vorstellig, etwa auch jene großer Warenhäuser wie Walmart und Target. Wenn überhaupt, schaut dabei aber nur ein überschaubares Entgegenkommen heraus. Dabei ist Kritik ein wichtiger Korrekturmechanismus, scheint Trump doch einiges nicht auf dem Radar zu haben (oder gekonnt zu ignorieren), was die Zölle anbelangt.



Das jüngste Beispiel dafür sind die Autobauer. Trumps Handelsminister Howard Lutnick sprach davon, dass erst in den Gesprächen mit hohen Vertretern der US-Automobilindustrie klar geworden sei, dass „selbst niedrige Zölle die Autohersteller davon abhalten, Arbeitskräfte einzustellen und Investitionen zu tätigen“. So leicht wie vermutet geht es dann also doch nicht, die Produktion auf US-Boden zu bringen. Besonders überraschend ist das eigentlich nicht, sprechen Ökonomen doch davon, dass es einige Monate bis mehrere Jahre dauere, Teile der Lieferkette vom Ausland in die USA zu hieven.



Keine überlappenden Zölle mehr

Immerhin, mit der offenbar neuen Information nimmt die Trump-Regierung nach Wochen des Lobbyierens der Autohersteller Anpassungen vor. Verkauft werden diese als großer Erfolg des „Dealmakers“ Trump, tatsächlich handelt es sich wohl eher um eine „kleine Erleichterung“, wie Ex-Ford-Chef Mark Fields am Dienstag dem amerikanischen TV-Sender CNBC sagte. „Die Zölle sind immer noch da, das erhöht die Kosten für die Hersteller – und die Autos werden teurer“, so dessen Fazit.



Was konkret ändert sich für die Autobauer? Das ist schwieriger zu beantworten, als es scheint. Selbst die betroffenen Betriebe müssen erst schlau daraus werden, heißt es übereinstimmend in mehreren US-Medien. Klar ist jedenfalls: Autobauer, die in den USA endmontieren, sollen künftig nur noch einmal Zölle zahlen. Wer etwa ab 3. Mai Autoteile importiert und deshalb 25 Prozent an Importzöllen abführen muss, erspart sich zumindest weitere 25 Prozent auf Stahl- und Aluminiumprodukte; oder auch die länderspezifischen Sonderzölle, sollten diese ab Juli in Kraft treten.



Zu zahlen sei jeweils der höchste Zollsatz, der fällig wird, stellte Lutnick klar. Zudem sollen Teile der Zölle auf importierte Autoteile rückerstattet werden. Im ersten Jahr sind das 3,75 Prozent des Listenpreises eines in den USA hergestellten Wagens, im zweiten Jahr reduziert sich der Prozentsatz auf 2,5 Prozent. Die Erleichterung gilt rückwirkend, also ab 3. April. Der errechnete Wert soll gegen gezahlte Importzölle auf Autoteile gegengerechnet werden.



Ausnahmen ausschließlich für Autobauer

Was all das konkret bedeutet, ist noch schwierig einzuschätzen. In der entsprechenden Aussendung des Weißen Hauses rechnet die Trump-Regierung vor, dass damit bei Fahrzeugen, die 85 Prozent und mehr ihrer Komponenten aus den USA – oder aus Mexiko und Kanada, sofern die entsprechenden Teile unter das Freihandelsabkommen USMCA fallen – beziehen, de facto kein Zoll im ersten Jahr anfällt. Beträgt der US-Anteil nur 50 Prozent und der Rest wird aus dem Ausland bezogen, fielen effektiv nur für 35 und nicht 50 Prozent der Importe Zölle in Höhe von 25 Prozent an.



Die Erleichterung gilt explizit für Autohersteller, die in den USA produzieren und verkaufen. Zulieferer dürften nach aktuellem Stand nicht davon profitieren. Ende April 2027 läuft die „Gutschrift“ dann aus, Lutnick schließt eine Verlängerung aus. Eine zweijährige Galgenfrist also. Ob das reicht, um weite Teile der Lieferkette in die USA zu bringen, ist fraglich.



Dazu ein Beispiel: Kaum ein Auto ist typischer für den US-Markt als ein Ford F-150. Der amerikanische Pick-up ist laut, groß, macht Eindruck. Er zeigt, was am US-Markt gefragt ist. Aber auch, wie komplex die Lieferkette ist. 24 Länder der Welt sind in den Bau des Ford F-150 involviert, zeigt ein Blick des Wall Street Journal ins Wageninnere. Der Reifen? Aus Südkorea. Die Lichtmaschine? Aus Mexiko. Die Radachse? Aus Kanada. Die Liste der Abertausenden von Teilen könnte man schier endlos weiterführen. Es ist ein Spiegelbild der Branche.

Menschenmenge bei der Präsentation eines Ford F-150 anlässlich einer Autoshow in Detroit, Michigan.

Michigan gilt als das Herz der US-Automobilindustrie. Autoshows gibt es dort regelmäßig, nun schaute auch US-Präsident Trump anlässlich seiner ersten 100 Tage im Amt vorbei – und ließ zuvor noch ankündigen, dass es Zollerleichterungen für Autobauer geben soll.
REUTERS/ERIC COX

Schnelle Umstellung schwierig

Rund die Hälfte der in den USA verkauften Pkw wird in den USA endmontiert. Die restlichen Autos werden vornehmlich aus Mexiko, Südkorea, Japan und Kanada importiert. Für sie fällt also weiterhin der Zoll von 25 Prozent an. Ähnlich das Bild bei den Komponenten. Selbst jene Fahrzeuge, die auf US-Boden gefertigt werden, beziehen im Schnitt 50 bis 60 Prozent der verbauten Teile aus dem Ausland. Für jene Komponenten gilt also mit der Gutschrift zumindest eine leichte Ersparnis gegenüber den bisherigen Plänen.



„Wer sein Auto im Ausland herstellt und in die USA verschifft, der wird einen sehr, sehr großen Nachteil haben“, heißt es dazu warnend aus dem Weißen Haus. Wie realitätsnahe ist eine Umstellung der Lieferketten binnen der zwei Jahre?



Ex-Ford-Chef Mark Fields meint: Selbst wenn man Kapazitäten übrig hat und die Fertigungsstätte aufrüstet, um bisher im Ausland produzierte Komponenten auf US-Boden zu bringen, müsse man mit „mindestens 18 bis 24 Monaten“ rechnen. „Wenn man erst eine Fabrik bauen muss, dauert es fünf Jahre.“ Ähnlich sieht es Collin Shaw, Präsident des Autozulieferverbands Mema in Washington. Er spricht von sechs bis zwölf Monaten, bis ein Bauprojekt genehmigt wird, gefolgt von zumindest einem bis eineinhalb Jahren des Baus und einem oder mehreren Jahren, bis die Produktion hochläuft. Die Herstellungskosten werden dabei auf alle Fälle steigen, ergänzt Fields, schließlich müssen die Investitionen und vergleichsweise teuren US-Arbeitskräfte finanziert werden.



China schaut durch die Finger

US-Autohersteller wie General Motors (GM) betonen trotzdem ihre Dankbarkeit gegenüber Trump. „Wir glauben, dass die Führung des Präsidenten uns hilft, ein faires Spielfeld zu errichten und noch mehr in die US-Wirtschaft zu investieren“, schrieb GM-Chefin Mary Barra in einer Aussendung. Ford-Chef Jim Farley meinte, die Erleichterung „wird dabei helfen, die Auswirkungen der Zölle auf Autobauer, Zulieferer und Verbraucher zu dämpfen“.



Laut Cox Automotive kostet ein Neuwagen in den USA im Schnitt 48.000 Dollar. Künftig wird ein solcher um mehrere tausend Euro teurer werden. Erschwinglicher werden die ohnehin teuren US-Autos jedenfalls nicht. Bei den „günstigen“ Autos mit einem Wert unter 30.000 Dollar werden acht von zehn Autos importiert. Für sie fällt auch weiter der 25-Prozent-Zoll an. Damit werden die Autos auf einen Schlag um durchschnittlich 5300 Dollar teurer, rechnet Analystin Erin Keating vor.



Warum zeigen sich manche Autobauer trotzdem hoffnungsfroh? Lenny LaRocca, Autoindustrieexperte bei KPMG, meint dazu: „Autohersteller werden in der aktuellen Situation jede Ausnahme begrüßen – aber die Volatilität der Handelspolitik bleibt bestehen.“ Schließlich könnte Trump jederzeit neue Zölle erheben oder Ausnahmen zurücknehmen. So drohte er erst vor einer Woche, die Autozölle auf US-Importe aus Kanada weiter zu erhöhen.



Keine Erleichterung gibt es übrigens für Importe von Autos und Autoteilen aus China. Für diese gelte weiterhin zumindest der Zollsatz von 145 Prozent. (Nicolas Dworak, 30.4.2025)