Das fatale Ereignis fand im Oktober 2021 statt und zog eine Folge von Gerichtsklagen nach sich. Die Zivilanklage gegen Alec Baldwin wurde schließlich fallen gelassen, jedoch die für die Sicherheit am Set zuständige Waffenmeisterin wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. In jedem Fall wurden die Dreharbeiten schließlich wieder fortgesetzt; die Kamera übernahm Bianca Cline, die tödliche Szene wurde aus dem Drehbuch gestrichen.
„Verdammter Film“
„Ich wünschte, ich hätte diesen verdammten Film nie geschrieben“, sagt Souza nun zum Guardian. Als „Rust“ auf dem polnischen Filmfestival Camerimage Premiere feierte, wurde der Film laut Aussagenberichten mit einer Mischung aus Sensationslust und Trauer aufgenommen.
„Rust“ reiht sich ein in eine lange Reihe an Kinofilmen, die durch äußere Umstände getrübt sind.
Allein von 1990 bis 2014 gab es bei Dreharbeiten 43 Tote, berichtete die New York Times“. Da wäre etwa Brandon Lee. Der Sohn von Kampfsport-Ikone Bruce Lee sollte in „The Crow“ eine große Karriere starten. Doch ein Unfall mit einer Filmpistole während des Drehs riss den Schauspieler mit nur 28 Jahren aus dem Leben.
Aber nicht nur Todesfälle trüben Filme derart ein, dass sie nicht mehr ohne bitteren Beigeschmack konsumiert werden können. Ein Beispiel wurde zuletzt durch das Biopic „Being Maria“ wieder in Erinnerung gerufen: Marlon Brando und Regisseur Bernardo Bertolucci hatten bei „Der letzte Tango in Paris“ die damals 19-jährige Schauspielerin Maria Schneider derart traumatisiert, dass Schneider ihr ganzes Leben darunter leiden sollte. In einer Vergewaltigungsszene, unrühmlich „die Butterszene“ genannt, die sich nicht im Drehbuch befand, vollzog Brando Handlungen an Schneider, die nicht abgesprochen waren, die Kamera hielt drauf. „Ich fühlte mich gedemütigt und ehrlich gesagt, fühlte ich mich ein wenig vergewaltigt, sowohl von Marlon als auch von Bertolucci“, sagte Schneider Jahrzehnte später.
Ein jüngeres Beispiel ist die Buchverfilmung „Nur noch ein einziges Mal“: Ausgerechnet rund um einen Film über häusliche Gewalt ist ein Streit zwischen den Hauptdarstellern entbrannt. Blake Lively wirft Justin Baldoni vielerlei Fehlverhalten vor, laut New York Times soll letzterer dann eine Online-Kampagne gegen Lively gestartet haben. Der Film geriet in einen giftigen Online-Streit über toxische Männlichkeit.
Nun also „Rust“. Als Halyna Hutchins starb, war „Rust“ ungefähr bis zur Hälfte fertig gedreht. Welche Bilder genau von ihr oder von ihrer Nachfolgerin stammen, ist schwer auszumachen. Doch gerade die eindrucksvollen Vistas typischer Westernlandschaften mit ihren weiten Ebenen vor beschneiten Bergketten werden ihr zugerechnet.
Auf der Flucht
Im weiten Land zu sehen ist Alec Baldwin mit weißem Rauschebart, der sich als gesuchter Mörder Harland Rust mit seinem 13-jährigen Enkel Lucas auf der Flucht befindet. Nicht nur Vertreter des Gesetzes, sondern auch knallharte Kopfgeldjäger haben sich auf ihre Fersen geheftet, um die tausend Dollar Preisgeld zu kassieren. Klassische Western – von Sergio Leone bis hin zu Clint Eastwood – haben Pate gestanden; nicht nur für ein Duell der Großaufnahmen, sondern auch für ein übles Personal an skrupellosen, schießwütigen Cowboys.
Anstelle edler Westernmythen beherrschen versoffene, gewissenlose Männer eine brutale Gesellschaft, in der in erster Linie das Recht der Stärkeren regiert und sogar 13-jährige Buben zum Tod durch Hängen verurteilt werden. Mit einer Laufzeit von über zwei Stunden verzettelt sich der durchwegs solide „Rust“ allerdings mit überlangen Hintergrundgeschichten und dreifachen Erzählsträngen, die allesamt eine Schlankheitskur vertragen hätten.
Ein sichtlich angeschlagener Baldwin als kratzbürstiger Titelheld erledigt eigenhändig eine Handvoll Widersacher und zielt dabei des Öfteren haarscharf an der Kamera vorbei. Seine Mission in „Rust“ schließt im Abspann mit einem Zitat von Halyna Hutchins – im Zusammenhang mit ihrem erschütternden Tod – doppelt herzzerreißend: „Wie können wir das noch besser machen?“
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