In Wien hat sich die ÖVP am Sonntag halbiert. Auch in anderen Städten hat die Volkspartei zuletzt schwach abgeschnitten. Eine Ursachenforschung.
Von Simon Rosner
Unter 10 Prozent. Die Halbierung der ÖVP bei der Wien-Wahl stürzt die Stadtpartei in eine existenzielle Krise. Zum wiederholten Mal. Spitzenkandidat Karl Mahrer trat am Montag zurück – wie auch Vorgänger Manfred Juraczka vor zehn Jahren, als auch dieser die Volkspartei zu einem einstelligen Ergebnis geführt hatte.
Dazwischen lag jedoch die türkise Periode der ÖVP und die große Hoffnung auf Restauration. Und zwar nicht nur auf Bundesebene. In Wien durchbrach man mit Gernot Blümel an der Spitze erstmals seit 1987 wieder die 20-Prozent-Marke, in der Stadt Salzburg verdoppelte sich die Volkspartei, und auch auf Landesebene war die ÖVP durch eine ästhetische Generalüberholung wie beflügelt. Doch die Phase war von kurzer Dauer.
Schon 2020 verlor die Volkspartei das Bürgermeisteramt in Bregenz, es folgten Graz, Salzburg und zuletzt Dornbirn, das erstmals seit 1945 rot eingefärbt wurde. In Innsbruck floppte die Kandidatur von Staatssekretär Florian Tursky, in Linz verpasste die ÖVP die Stichwahl. „Das städtische Gebiet war nie ein einfaches Terrain für die ÖVP“, sagt die Politologin Katrin Praprotnik von der Universität Graz.
Ein kurzer Rückblick: Ende der 90er-Jahre, unter Parteichef Wolfgang Schüssel, wollte die ÖVP die Städte erobern. „Eine Wahl kann man nur in Wien und in den großen Städten gewinnen“, sagte damals Klubchef Andreas Khol. Schüssel gab ein Buch über die „Stadtpolitik für das 21. Jahrhundert“ heraus, entwarf darin das Konzept einer sich kommunalpolitisch engagierenden „Bürgergesellschaft“. Die Wende blieb zwar aus, aber bis 2010 konnte die ÖVP den Abwärtstrend stoppen.
Die Langzeitbetrachtung ist aber eindeutig: Mit der ÖVP geht es bergab, nicht nur in den Städten. Der Staatswissenschafter Laurenz Ennser-Jedenastik von der Uni Wien verweist darauf, dass die Volkspartei in Wien immer unter dem Bundesdurchschnitt lag. Für ihn war das Ergebnis vom Sonntag daher „erwartbar“. Praprotnik ergänzt: „Verliert man von niedrigem Niveau aus, kratzt man bald an der Relevanzgröße.“
Umgekehrt verhält es sich mit der Wiener FPÖ, die seit Jörg Haider in der Großstadt besser abschnitt als bundesweit. „Seit zehn Jahren ist sie aber massiv drunter und wir haben noch keine gute Erklärung dafür“, sagt Ennser-Jedenastik. Von der relativen Schwäche der Blauen – 21 Prozent in Wien versus mehr als 30 Prozent in Bundes-Umfragen – hat die ÖVP überhaupt nicht profitieren können. Und dies, obwohl sie thematisch weiterhin auf Sicherheit und personell auf den ehemaligen Wiener Polizeichef, also einen Experten auf diesem Gebiet, setzte.
Es wird der ÖVP kein großer Trost sein, dass es der SPÖ vice versa im ländlichen Raum ähnlich geht. Bei den steirischen Gemeinderatswahlen haben die Roten sogar mehr verloren als die Volkspartei und bei der Nationalratswahl im September reüssierte Andreas Babler in Wien-Neubau, verlor jedoch im Mürztal.
Die SPÖwird zusehends zur reinen Stadtpartei, die ÖVP dünnt wiederum im urbanen Milieu aus. Eine Erklärung dafür: Mehr Parteien bedeuten auch mehr Wettbewerb. „Wenn ich eine von fünf Parteien bin, muss ich anders kommunizieren“, sagt Ennser-Jedenastik. Offensichtlich gelingt es derzeit jedoch weder ÖVP noch SPÖ, eine inhaltliche sowie personelle Klammer zwischen Stadt und Land zu schlagen. Die Ausnahme war Sebastian Kurz.
Original Quelle + Bild: